Zu Risiken und Nebenwirkungen bei Tieren

Zu Risiken und Nebenwirkungen bei Tieren© Gerhard Seybert / Dollar Photo Club

Es stimmt: Werden Belladonna, Arsenicum album und Co nach fachgerechter Anamnese verschrieben und vorschriftsmäßig eingenommen, sind langfristige unerwünschte Nebenwirkungen nicht zu erwarten. Sind Homöopathika also nebenwirkungsfrei?

Sie gelten als harmlos und inzwischen werden auch Haustiere immer häufiger damit behandelt: homöopathische Globuli. Das Angebot ist riesig. Die Homöopathie kennt viele Hundert Mittel in vielen verschiedenen Potenzen. Anders als chemische Medikamente wirken Homöopathika aber nicht streng spezifisch, die meisten von ihnen haben ein mehr oder weniger breites Spektrum, innerhalb dessen sie ihre Wirkung entfalten können.

Thuja occidentalis beispielsweise, in der Selbstmedikation meist eingesetzt im Zusammenhang mit Warzen, wirkt auch auf das Gemüt, Augen, Ohren und Nase, auf den Verdauungstrakt, die Geschlechtsorgane, bei Atemwegserkrankungen und weiteren Symptomen. Diese Bandbreite ist die Stärke der homöopathischen Behandlungsmethode. Die fachgerechte Anwendung, wenn sie nachhaltig erfolgreich sein soll, erfordert aber fundierte Kenntnisse dieser Wirkspektren. Nicht nur hinsichtlich der möglichen Wirkung des Mittels und seiner unterschiedlichen Potenzen.

Gewichtung der Symptome

Der klassisch behandelnde Homöopath muss vor allem wissen, wie er die geschilderten Symptome gewichtet, um das passende Mittel für den Patienten zu finden. Die Repertorisierung, das ist die Mittelfindung anhand der ausgewählten Symptome, ist oft sehr zeitaufwändig. Vollständige Symptomenverzeichnisse (Repertorien) sind tausende Seiten dick und zwischen dem einen oder dem anderen Mittel entscheiden oft feine Nuancen in der Symptomatik. Für einen Laien ohne entsprechende Ausbildung ist die Fülle der zu berücksichtigenden Informationen unüberschaubar.

Für die Heilung reicht außerdem nicht immer ein Mittel allein. Bei chronischen Erkrankungen und komplexem pathologischen Geschehen erfordert die Behandlung eine Folge sich ergänzender oder sich in ihrer Wirkung aufhebender Homöopathika oder die Verwendung verschiedener Potenzen. Gemeint sind hier nicht Komplexmittel, Kombinationspräparate verschiedener Homöopathika. Ihre Anwendung widerspricht der klassischen Homöopathie nach Hahnemann nicht nur, sie macht sie sogar unmöglich. Bei dieser Art der Behandlung handelt es sich vielmehr um die schulmedizinische Anwendung homöopathischer Arzneimittel.

Jeder Patient ist einzigartig

Die Schulmedizin behandelt Krankheiten: Krebs, Bronchitis, Magengeschwüre. Die Individualität des Patienten bleibt unberücksichtigt. Das Vorgehen in der Homöopathie ist anders. Sie kennt keine Krankheiten im schulmedizinischen Sinne, nur Symptome und Mittel, die diese Symptome in ihrer Beschreibung haben. Es ist der Patient, der individuelle Symptome zeigt, seine ganz persönliche Version einer Krankheit entwickelt. So wenig, wie sich Struppi und Bello gleichen, ist die Krankheit von Struppi identisch mit der Krankheit von Bello, auch wenn der Tierarzt bei beiden eine Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) diagnostiziert hat. Nach Hahnemann ist sie nur die Spitze des Eisbergs. Vom Tierarzt erhalten Bello und Struppi die gleiche Medikation, vom Tierhomöopathen werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht das gleiche Mittel bekommen.

Homöopathische Arzneimittelprüfung

In den Mittelverzeichnissen (Materia medica) wird jedem Mittel eine oft große Zahl von Symptomen zugeordet. Polycreste, das sind Mittel mit einem sehr großen Wirkspektrum, zeigen zuweilen Hunderte von Symptomen. Ihre Auflistung ist das Ergebnis einer Arzneimittelprüfung, die ein homöopathisches Präparat durchläuft. Im Rahmen dieser Prüfung erhalten gesunde Probanden das zu prüfende Mittel. Die in der Folge auftretenden Symptome werden protokolliert und in Arzneimittellehren aufgelistet. Getreu dem Leitsatz des Arztes und Chemikers Samuel Hahnemann (1755-1843, Entdecker der Homöopathie), dass Ähnliches mit Ähnlichem zu heilen sei, sind diese Symptome diejenigen, gegen die das Mittel verordnet werden kann.

Vergiftung bei Tieren

Viele der Mittel sind in ihrer Urform hochgiftig, oft sogar tödlich. Lachesis muta (das Gift der Buschmeisterschlange ) zum Beispiel, oder Mercurius solubilis (Quecksilber), Rhus toxikodendron (Giftsumach), Belladonna (Tollkirsche), Arsenicum album (Arsen), alles Mittel, die in der Selbstmedikation gerne verwendet werden. Erst die starke Verdünnung und homöopathische Potenzierung macht sie im Rahmen dieser regulativen Behandlungsmethode zu wirkungsvollen Arzneien. Werden niedrige Potenzen wie D6 beispielsweise verwendet, wie dies in der Selbstmedikation meist geschieht, besteht bei unsachgemäßer Dosierung die Möglichkeit, das Tier damit zu vergiften, denn niedrige Potenzen enthalten noch immer Anteile der Ursubstanz, die in den tiefgreifender wirkenden höheren Potenzen nicht mehr nachgewiesen werden kann. Vor allem wenn nach dem Grundsatz „viel hilft viel“ gehandelt wird.

Aber es sind nicht nur die offensichtlichen Gifte, die bei falscher Anwendung unerwünschte Nebenwirkungen haben können. Wie aus der Arzneimittelprüfung hervorgeht, rufen die Mittel genau jene Krankheitssymptome hervor, gegen die sie im Krankheitsfalle eingesetzt werden. Arnika montana, in der Selbstmedikation oft gegeben nach stumpfen Traumata zur Vermeidung von Schwellung und Blutergüssen, ist auch indiziert bei bestimmten Herzsymptomen. Geben wir nun eine Weile Arnika, weil unser Hund nach einem Unfall eine heftige Prellung hat, ohne zu berücksichtigen, dass er herzkrank ist, kann Arnika das Herz zusätzlich belasten. Bei fachlich korrekter Anamnese und Repertorisierung (Mittelbestimmung) wäre Arnika in diesem Fall nicht das Mittel der Wahl.

Aktivierung ruhender Krankheiten

Viele Erkrankungen haben jenseits der aktuellen Symptomatik sehr tiefe Wurzeln, manche Homöopathika haben eine sehr langsame und tiefgreifende Wirkung. Wer darum nicht weiß, kann ungewollt und vor allem unkontrolliert alte Gebrechen wieder aktivieren, vor allem, wenn es sich um alte Patienten handelt oder solche mit umfangreicher schulmedizinischer Vorgeschichte. Ihnen wird durch eine lange Erstverschlimmerung viel Lebensqualität geraubt, und die verbleibende Lebenszeit reicht für eine Heilung dann manchmal nicht mehr aus.

Vergiftung, Verstärkung bestehender Erkrankungen, ungewollte Aktivierung unterdrückter Krankheiten, provozierte Arzneimittelprüfungen – falsch angewandt ist auch die Homöopathie nicht frei von ungewollten Nebenwirkungen. Eine Selbstmedikation ist nur in eher harmlosen Fällen und für wenige Tage ratsam, alles andere gehört in die Hände ausgebildeter Tierhhomöopathen.

Bei Tieren dürfen nur Homöopathika die als Tierarzneien registriert sind, eingesetzt werden.

Dozenten und Autoren ATM - Autorin Patricia Lösche

Patricia Lösche

Patricia Lösche ist freie Autorin, Text- und Bild-Journalistin. Der Dolmetscher-Ausbildung folgten Biologie- und Journalistik-Studium, freier und redaktioneller Journalismus für verschiedene große Verlage. Später dann die Ausbildung zur Tierheilpraktikerin an der ATM und die Tierpsychologie-Ausbildung an der ATN. Empathie, Achtung und Verständnis auf Augenhöhe im Umgang mit Tieren sind Patricia Lösche ein besonderes Anliegen. Seit 2014 schreibt sie für ATM und ATN Blogbeiträge, ist Autorin von Skripten und betreut als Tutorin die Studierende unterschiedlicher Fachbereiche.

In die Wissensvermittlung fließen mehrjährige Praxis-Erfahrungen aus der naturheilkundlichen Behandlung von Pferden, Hunden und Katzen ebenso ein, wie die jahrzehntelange Erfahrung eigener Tierhaltung. Sie ist Mitglied im Fachverband niedergelassener Tierheilpraktiker (FNT) und 1.Vorsitzende im Berufsverband der Tierverhaltensberater und –trainer (VdTT).

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