Das große Jucken – Sommerekzem beim Pferd

Pferde mit Sommerekzem leiden unter extremem Juckreiz – Patricia Lösche

Das große Jucken – Sommerekzem beim Pferd

„Sommerekzem“ – eine Diagnose, bei der jedem Pferdehalter die Haare zu Berge stehen. Sommerekzem – das bedeutet ein chronisch krankes Pferd, einen extrem hohen Pflegeaufwand, eine eingeschränkte Nutzung und natürlich hohe Kosten. Ein kürzlich erneut bestätigtes Gerichtsurteil hat nun sogar die entsprechende Beeinträchtigung der Nutzung und damit den Wert des Pferdes wie folgt formuliert: „Das Landesgericht Flensburg schätzt die eintretende Gebrauchsminderung infolge eines Sommerekzems auf 50 bis 100 % des Wertes.“ Dabei ist das Sommerekzem durchaus händelbar. Man muss nur wissen wie.

Wie das Krankheitsbild des Sommerekzems entsteht

Das Sommerekzem ist eine allergische Reaktion vom Typ I. Bei der Typ I Allergie, welche auch als die „klassische“ Allergie bezeichnet wird, handelt es sich um die Hypersensibilität vom Soforttyp. Hierbei kommt es schon sehr schnell nach Allergenkontakt (wenige Minuten oder nach 20-40 Minuten) zum Auftreten von Symptomen. Außerdem werden weitere Entzündungsmediatoren gebildet (z .B. Leukotrien), welche zur verzögerten Form der Typ I Allergie führen. Der Unterschied zu anderen Allergietypen besteht darin, dass allein das Vorhandensein des Allergens – also des allergieauslösenden Stoffes – zu einer Symptomausprägung führt, während bei anderen Allergietypen erst das Bilden eines Antigens zu einer Immunreaktion führt (z. B. bei so genannten Autoimmun-Prozessen wie der Periodischen Augenentzündung). Der Vorteil einer Allergie des Typs I besteht folglich darin, dass die Symptome nach Ausschaltung des Allergieauslösers verschwinden.

Auslöser des Sommerekzems: Stich der Kriebelmücke

Diese Erkenntnis steht im Mittelpunkt aller seriösen Maßnahmen gegen das Sommerekzem. Auslöser des großen Kribbelns ist der Stich der blutsaugenden Culicoides, auch Gnitze oder Kriebelmücke genannt. Diese fliegen bevorzugt die langhaarigen Teile des Felles an (Mähne/Schweif), weil sie dort am einfachsten am Haar zur Haut krabbeln können um dort in aller Ruhe Blut zu saugen. Dementsprechend sind Mähne und Schweif die ersten betroffenen Hautpartien, später kommen Bauchnaht, Kruppe, Rücken, Gesichtshaut und auch die Beinbeugen (besonders bei Pferden mit langem Fesselbehang) dazu. Um das Blut während des Trinkvorganges flüssig zu halten, appliziert Culicoides eine blutverdünnende Substanz mit ihrem Speichel in die Haut des Opfers. Genau dieser Speichel konnte als Allergieauslöser isoliert werden.

Ursächlich für das Krankheitsbild Sommerekzem: Der Juckreiz

Es kommt zu einer Sofortreaktion der Haut in Form einer ödematösen Entzündung, die sofort heftigsten Juckreiz auslöst. Erst dieser Juckreiz ist überhaupt für das klassische Erscheinungsbild des Sommerekzems verantwortlich. Denn würde es die Pferde nicht jucken, würden sie sich nicht scheuern – und die Haut würde nicht noch stärker geschädigt. So jedoch scheuern sie sich teilweise sogar blutig. Durch das ständige Reiben verdickt sich die Haut, es entsteht der typisch wellige Mähnenkamm. Durch diese Verdickung wird die Hautelastizität stark eingeschränkt und so können sich zwischen diesen Wellen tiefe Einrisse bilden, wenn das Pferd den Kopf z. B. zum Fressen herunter beugt. Leider lässt der Juckreiz dann nicht nach und das Pferd wird sich weiter scheuern. So können andere Erreger (Bakterien oder Pilze) in die Wunden regelrecht einmassiert werden und schlimmste Hautentzündungen verursachen.

Repellents bei Sommerekzem – Insektensprays am Pferd

Diese Pathogenese – so schlimm sie auch klingt – birgt jedoch die wirksamsten Ansätze zu einer Symptombehandlung. Schuld an allem ist der Speichel eines kleines Insekts. Nun kann man die Mücke nicht am Speicheln hindern – aber man kann die Mücke daran hindern, das Pferd anzufliegen. Z. B. mit dem Einsatz von Repellents, also hochwirksamen Sprays und Lotionen, die den Landeplatz Pferd für Culicoides höchst unattraktiv machen. Leider lassen sich mit solchen Maßnahmen nicht alle Gnitzen abschrecken. Erst ein beigemischtes Nervengift (z. B. Pyrethrum), auf das Insekten sehr empfindlich reagieren – Pferde jedoch weniger –, bringt einen größeren Erfolg. Das Problem dieser Repellents ist jedoch ihre geringe Wirkungszeit. So gibt es zwar schon Sprays, die eine Wirkung von bis zu 12 Stunden versprechen, welche jedoch nur bei optimalen Umweltbedingungen möglich ist. Schwitzt das Pferd, wälzt es sich viel oder regnet es gar, verringert sich die Schutzzeit auf ein Minimum. Wer kann schon alle zwei Stunden auf die Weide rennen, um sein Pferd einzusprühen? Mal abgesehen vom dem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand, den solche wirksamen Repellents erfordern.

Die Ekzemerdecke fürs Pferd – der Gnitzenschreck

Auf lange Sicht günstiger sind sogenannte „Ekzemerdecken“. Diese High-Tech-Decken aus atmungsaktiven und schnell trocknenden Materialien sind für viele Pferde die einzige Möglichkeit ohne Symptome durch den Sommer zu kommen. Die Decken schirmen die Pferde praktisch rundherum ab, die Gnitze hat keine Möglichkeit, das Pferd zu stechen. Es gibt sogar passende Kopfhauben, die den Pferden zwar ein für uns recht ungewohntes Erscheinungsbild geben, die von den meisten Pferden aber überraschend kooperativ akzeptiert werden. Diese Form der Abschirmung erfordert den geringsten Aufwand für den Pferdehalter. Allerdings muss auch hier der Sitz der Decke täglich kontrolliert werden. Und: man muss sich während des Reitens an gnitzenarme Zeiten halten, bzw. für diese Zeit auf wirksame Repellents zurückgreifen. Denn nur wenige Minuten Kontakt zu Culicoides bewirkt SOFORT Symptome.

Die Dämmerung – Zeit der Blutsauger

Gemeinhin ist die Aktivität dieser unerwünschten Blutsauger in den Dämmerungsstunden am höchsten. D. h. morgens, vor und während des Tagesanbruchs, und abends vor, während und kurz nach der Abenddämmerung. Leider halten sich nicht alle Gnitzen an diese Flugpläne, sodass besonders in Gegenden mit Mooren, Wäldern oder Feuchtwiesen mit einer Dauerbelastung gerechnet werden muss. Für Ekzemer bedeutet dies: permanentes Tragen der Ekzemerdecke.

Behandlungsmöglichkeiten beim Sommerekzem

Bei leichteren Fällen des Sommerekzems ist diese Form der Insektenabwehr nicht immer nötig. Hier kann man mit einer Symptomdämpfung oftmals gute Ergebnisse erzielen. Eine sehr wirksame Therapie gegen die Symptome des Sommerekzems stellt die symptomatische Homöopathie dar. Mit sogenannten Compositae, also fertig zusammengestellten homöopathischen Mitteln, können Symptome gut unter Kontrolle gehalten werden. Ein entsprechend ausgebildeter Tierarzt oder ein Pferdeheilpraktiker können hier sicher wirksame Therapien entwickeln.

Solche Maßnahmen machen die besondere Fellpflege (im Gegensatz zur Ekzemdecke) jedoch nicht überflüssig. Die Haut eines Sommerekzemers muss gepflegt werden. Manche Pferdebesitzer meinen es hier allerdings gar zu gut, und es gibt durchaus Pferde, die zusätzlich eine Kontaktdermatitis entwickeln. Als absolutes No-Go sollte an dieser Stelle Teebaumöl erwähnt werden. Teebaumöl hat ein hohes Allergiepotenzial (und ein Sommerekzemer ist ja schon ein Allergiker) und reizt zudem die Haut stärker, als den meisten bekannt ist. Besonders Pferde reagieren sehr empfindlich auf die Aufbringung von ätherischen Ölen direkt auf die Haut (durch Einmassieren). Überhaupt gibt es auf dem Markt der „Schmiermittel“ fast nichts, das es nicht gibt: Aloe Vera, Noni, Algen, Moos – Pflegemittel mit diesen Komponenten versprechen dem verzweifelten Pferdebesitzer das Blaue vom Himmel, und verschlimmern dabei oft die Hautsituation. Dabei sind meist nicht einmal die eingesetzten Wirkstoffe Schuld, sondern das Trägermaterial. Glycerin z. B. eignet sich nicht zur Pflege von trockener Haut, es holt die Feuchtigkeit aus den unteren Hautschichten und schädigt die Haut auf Dauer sogar mehr. Oder Rückstände von anderen Chemikalien machen dem Pferd das Leben unnötig schwer. Wer die Ekzemer-Haut adäquat pflegen will, braucht eigentlich nur Wasser, Meersalz, evtl. ein Gerbsalz (erhältlich in der Apotheke in Form von künstlichem Harnstoff wie z. B. „Tannolact“) und ein leichtes Öl.

Die Pflege eines Sommerekzemers

Salzwaschungen nehmen den Juckreiz, machen das Hautmillieu für Keime unattraktiv, gerben die Haut und machen sie unempfindlicher. Öle halten die Haut geschmeidig und verhindern Risse. Einfache Öle, wie z. B. Olivenöl, reichen für solche Zwecke völlig aus (besonders, da sie auch einen leichten Schutzfilm gegen die Insekten bildet). Teuren Fertigpflegemitteln stehen sie in nichts nach. Für kleine Wunden reicht eine feste Zinkpaste, die nicht nur die Heilung unterstützt, sondern die Wunde auch wirksam gegen Keime und Fliegen abschirmt.

Obwohl das Sommerekzem zum allergischen Themenkreis gehört und dieser auch durch Akupunktur gut zu beeinflussen ist, hat sich die Akupunkturbehandlung bei Sommerekzem nicht bewährt. In manchen Fällen erwirkt sie jedoch ein besseres Allgemeinbefinden und einen Versuch ist es sicher wert. Eine weitere Möglichkeit dem Sommerekzem beizukommen, ist die „unspezifische Gegensensibilisierung nach Theurer“. In diesem Verfahren, das oft auch fälschlicherweise „Eigenblutbehandlung“ genannt wird, wird dem Pferd während einer akuten Ekzemphase Blut abgenommen und dieses dann speziell aufbereitet. Mit dem so hergestellten Serum wird versucht, die überschießende Immunreaktion zu mildern, indem man das Pferd gegen die selbst erzeugten Antikörper während eines Allergieschubes unempfindlich macht. Die Erfolgsquote dieser Behandlung liegt etwa zwischen 30 und 40 %, wobei eine Heilung aufgrund des beim Sommerekzem vorliegenden Allergietyps I nicht zu erreichen ist, aber u. U. eine Verbesserung des Krankheitsbildes. Eine Minderung der Symptome ist oft schon eine große Erleichterung für Pferd und Besitzer!

Cortisonbehandlung als Alternative bei Sommerekzem?

Da das Sommerekzem eine chronische Erkrankung ist, sollten bevorzugt die „sanften“ Symptombehandlungen zum Einsatz kommen. Dauerhafte Cortisongaben schädigen das Pferd und sind zudem schwer zu dosieren. Eine zu kleine Dosis hat nicht den erforderlichen Effekt, eine zu große kann zu akuten Hufrehe-Schüben führen. Leider reagiert jedes Pferd auf unterschiedlich große Dosen, sodass hier ein großes Unsicherheitspotential besteht. Trotzdem sollte man in schweren akuten Fällen nicht davor zurückschrecken, dem Pferd mit einer Cortison-Therapie sofortige Erleichterung zu verschaffen. Cortison kappt die Symptomspitze und bietet eine gute Anfangsbasis für alle nachfolgenden, alternativen Heilmethoden.

Das A und O: Haltungsform verändern

All diese Methoden bleiben jedoch auf Dauer erfolglos, wenn die Haltungsform der Pferde nicht verändert wird. Wie man weiß, erhöht ein dauerhafter Eiweißüberschuss in der Fütterung die Allergieneigung. Ein Pferd mit Sommerekzem sollte also nur noch stundenweise – vorzugsweise über Mittag, weil hier die Gnitzendichte am geringsten ist – auf die Weide gelassen werden und dann möglichst mit einer Ekzemdecke. Während der übrigen Zeit braucht ein Sommerekzemer einen ruhigen Platz mit Rückzugsmöglichkeit, die möglichst luftig und dunkel sein sollte. In manchen Gegenden ist das Einsperren der Pferde in mit Fliegennetzen geschützte LAUFboxen (!) während der Hauptflugphase der Insekten nicht zu vermeiden.

Sommerekzemer brauchen außerdem zwingend eine adäquate Mineralstoffversorgung, Ekzemer ohne Decke mit Hautsymptomen benötigen Extra-Kuren mit Zink, da ein kranker Hautstoffwechsel einen höheren Zinkbedarf hat. Von „Spezialmineralen“ oder „Spezialkraftfuttern“ für Ekzemer ist dabei dringend abzuraten, da die Zusammensetzungen teilweise sehr willkürlich vorgenommen werden und z. B. eine generell erhöhte Zinkzufuhr in der täglichen Ration nur zu Resorbtionsblockaden anderer Spuren- und Mengenelemente führt. Das Überprüfen des Mineralstoffstatus’ durch eine Haarmineralanalyse sollte bei einem Ekzemer jährlich stattfinden.

Generell gilt: je feuchter der Sommer, desto höher die Belastung mit Culicoides. Ein warmer Winter hingegen ist nicht entscheidend für die explosionsartige Vermehrung der Gnitze. Insofern ist jeder trockene Sommer für alle Ekzemer-Besitzer ein Hoffnungsschimmer.

Bei Tieren dürfen nur Homöopathika die als Tierarzneien registriert sind, eingesetzt werden.

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