Absatzfohlen: „kleine“ Pferde mit großen Ansprüchen
Ein Fohlen aus der eigenen Stute – ein Traum, den sich immer mehr Menschen erfüllen. Doch wenn Stute und Fohlen getrennt werden, sind Augenmaß und Wissen gefragt, damit der Nachwuchs weiterhin gut gedeiht. Fehler im Jugendalter rächen sich oft später. In diesem Punkt unterscheiden sich Pferdekinder nicht von Menschenkindern. Erfahren Sie, was beim abgesetzten Fohlen in Sachen Fütterung und Haltung essenziell ist.
In der freien Wildbahn entwöhnt eine Stute ihr Fohlen meist dann, wenn das nächste geboren wird, also im Frühjahr, wenn es etwa ein Jahr alt ist. Aber auch nicht immer.Es gibt durchaus Zweijährige, die sich gern hin und wieder mit dem nachgeborenen Geschwister an der Milchbar bedienen. Stutfohlen bleiben meist in der Herde, Hengstfohlen werden mit Erreichen der Geschlechtsreife später verjagt.
In menschlicher Obhut werden Fohlen üblicher Weise im Herbst von der Mutter getrennt. Je nach Geburtsmonat sind die meisten Pferdekinder dann sechs, sieben Monate alt, manche auch deutlich jünger. Zwingend notwendig ist es nicht, sondern kann auch später erfolgen, sofern es nicht als „Einzelkind“ aufwächst. Auch Hauspferdestuten entwöhnen ihr Fohlen meist selbst, wenn man sie lässt.
Aufzucht ist aufwändig
Ein Fohlen zuhause beim Wachsen zu beobachten ist ein wunderbares, wenn auch zeitintensives Erlebnis, das Sachkenntnis erfordert. Wer den Nachwuchs deshalb lieber einem guten Aufzüchter anvertraut, für den ist der Zeitpunkt des Absetzens gekommen, wenn die Fohlengruppen zusammengestellt werden. Verantwortungsbewusste Aufzüchter machen das im späten Herbst und halten die Gruppen dann möglichst konstant. Neuzugänge werden nur ausnahmsweise aufgenommen. So vermeiden sie Raufereien um Rangordnungen und mindern das damit verbundene erhöhte Verletzungsrisiko. Wer sein Fohlen zuhause behält, muss einiges beachten, damit es gesund aufwächst.
Kein Fohlen darf allein aufwachsen. Für eine unbeschwerte Jugend und ein gesundes Heranwachsen kommt nur eine Haltungsform in Frage: Gruppenhaltung mit Weidegang, möglichst 24 Stunden. Wo das im Winter aufgrund der Bodenverhältnisse nicht möglich ist, muss ein großer Laufstall mit weitläufigem Paddock zur Verfügung stehen. Einzelboxen sind generell abzulehnen.
Die Sommerweiden müssen groß genug sein für die darauf gehaltene Anzahl von Tieren. Richtwert ist: ein halber Hektar pro Pferd bei Sommerbeweidung. Bei Ganzjahresweide gilt die Daumenregel: Nicht mehr als ein Pferd pro Hektar. Denn die Pferdekoppel dient nicht nur der Nahrungsaufnahme, sondern muss für eine gesunde Entwicklung dem natürlichen Bewegungsbedürfnis der Fohlen Raum bieten, ohne dass die Grasnarbe dauerhaft geschädigt wird.
Eine gute Aufzucht bietet Fohlen ganztägig Bewegungsmöglichkeit, wenigstens im Sommer 24-Stunden Weidegang, Spielkameraden gleichen Alters.
Zufütterung mit Heu
Bei Kurzverbiss der Grasnarbe nehmen die Jungtiere unangemessen viele Fructane auf. Ist die Koppel eher klein bemessen und das Gras schnell abgefressen, muss auch im Sommer ganztägig ausreichend Heu so zur Verfügung stehen, dass alle satt werden. Bei mangelnder Zufütterung mit Heu ist die Entwicklung von Untugenden wie Sand- oder übermäßiges Kotfressen (Koprophagie)möglich, was gesundheitliche Probleme wie Sandkoliken nach sich ziehen kann. Zur Beschäftigung und zum Spielen können Baumstämme oder dicke Äste ungiftiger Arten wie Obstbäume auf die Koppel gelegt werden. Und natürlich dürfen Salzleckstein und eine gesicherte Wasserversorgung nicht fehlen. Tägliche Zaunkontrolle ist ebenso Pflicht wie der tägliche Verletzungscheck.
Hat die Koppel zu wenig Gras, muss ausreichend Heu rund um die Uhr zur Verfügung stehen
Achtung Giftpflanzen
Besondere Aufmerksamkeit muss dem Bewuchs gewidmet werden. Nicht alle Gräser sind für die Pferdehaltung, insbesondere aber für die Fohlenaufzucht gut. Welche Gräser bei welchem Boden geeignet sind, darüber geben die örtlichen Landwirtschaftskammern Auskunft. Fohlen fehlt es an der nötigen Erfahrung. Wie kleine Kinder probieren sie voller Neugier vieles aus. Wachsen sie ohne erfahrenes Pferd in ihrer Mitte auf, können sie nicht durch Kopieren lernen, sondern müssen alles selbst ausprobieren. Das gilt auch für Futter. Denn was Gift ist, müssen Pferde lernen. Potentiell giftige Pflanzen sind deshalb besonders sorgfältig zu entfernen. Nicht nur auf der Koppel selbst, auch aus dem Bewuchs entlang des Zaunes. Sind Gärten in der Nachbarschaft, ist das Abstecken einer Sicherheitszone sinnvoll. Mancher Gärtner kommt auf den Gedanken, seinen Pflanzenschnitt auf der Pferdekoppel zu entsorgen. Ziersträucher wie Eiben sind aber toxisch. Zusätzlich am besten alle Koppelanrainer persönlich darauf hinweisen.
In der Nähe von Fohlen müssen Giftpflanzen besonders sorgfältig entfernt werden, auf der Koppel ebenso wie entlang des Zaunes.
Böden haben eine sehr unterschiedliche und nicht immer ausgewogene Zusammensetzung. Darum ist es sinnvoll, den Boden untersuchen zu lassen, um die Koppel in der Ruhephase entsprechend zu düngen und gegebenenfalls fehlende Mineralien den Fohlen zuzufüttern. Allerdings nur nach vorheriger Analyse beim Fohlen selbst. Denn nicht nur jeder Boden, auch jedes Fohlen ist anders. Ein Zuviel bestimmter Mineralien ist ebenso schädlich wie ein Zuwenig. Der wachsende Organismus braucht ein ausbalanciertes Nährstoffangebot.
Fohlen und Jungpferde: nach dem Absetzen schlank, aber nicht mager halten
Junge Pferde wachsen schnell. Wer es gut meint und seinem Fohlen ordentlich was auf die Rippen füttert, riskiert Probleme im Erwachsenenalter. Fohlen müssen schlank sein. Schlank, aber niemals unterernährt. Stellen Sie sich einen Korridor vor, an dessen linker Seite „zu dünn“ beginnt und an dessen rechter Seite „zu dick“, dann sollte sich ein Jungpferd habituell nicht links von der Mitte sondern mittig bis leicht rechts davon bewegen. Der Grund dafür ist einleuchtend: Junge Organismen wachsen nicht gleichmäßig, sondern in Schüben. Steht bei einem Fohlen oder Jungpferd, das eher zu dünn ist, ein Wachstumsschub an, kommt es sehr schnell in einen Unterversorgungsbereich. Dieser Zeitraum der Mangelversorgung ist zwar nur kurz, kann in solchen Entwicklungsschüben aber entscheidend für das Entstehen späterer Defekte unter der Verwendung als Reitpferd sein. Solange Muttermilch die Nahrungsquelle ist, gilt die Aufmerksamkeit vor allem der laktierenden Stute. Ist die Milch gut, gedeiht auch das Fohlen.
Muttermilch durch energiereiches Futter ersetzen
Um ein Jungpferd auch nach dem Absetzen in einem optimalen Zustand zu halten, muss das Auge des Herrn „mitfüttern“. Der Habitus des Jungpferdes ist möglichst täglich zu beurteilen. Bei Veränderungen muss im Jungpferdealter schnell reagiert werden. Sinnvoll ist meist eine Ergänzung der Fütterung durch Kraftfutter, vor allem dann, wenn Weiden nicht mehr saftig sind oder direkt nach dem Absetzen, wenn die energiereiche Muttermilch weg fällt. Heu satt, Weidegang rund um die Uhr auf entsprechend bewachsenen, guten Weiden, bilden die solide Fütterungs-Grundlage. Für die ergänzende Kraftfuttergabe gibt es im Futtermittelhandel gute und vielfältige Produkte. Eine sorgfältige Rationsberechnung ersetzen diese nicht. Eine gute, Hersteller unabhängige und individuelle Beratung hilft, Ernährungsfehler mit Langzeitfolgen zu vermeiden.
Fohlen müssen immer schlank, dürfen aber niemals unterernährt sein. Heu satt, Weidegang auf gut bewachsenen Weiden und gegebenenfalls eine korrekt berechnete Zufütterung von Kraftfutter sind eine solide Fütterungsgrundlage.
Futterrationen des Absatzfohlens korrekt anpassen
Beim Zufüttern ist Sorgfalt gefragt. Denn wie viel Nährstoffe ein Fohlen auf der Koppel zu sich nimmt, hängt einerseits von seinem individuellen Stoffwechsel ab. Anderseits von der Qualität des Bodens und den darauf wachsenden Grasarten. Kein Standardfutter kann das berücksichtigen.
Ein korrekt mineralisiertes Kraftfutter wie ein zusätzliches, auf die Ration und den Bedarf abgestimmtes Aufzuchtmineralfutter bereiten das Jungpferd auf ein langes Leben als gesundes Reitpferd vor. Das juvenile Pferd wächst innerhalb des ersten Lebensjahres am meisten. Mit einem Jahr hat es bereits 60 % seines späteren Endgewichtes erreicht. Gegen Ende des zweiten Lebensjahres ist dann der überwiegende Teil der Wachstumsphase abgeschlossen und das Pferd kann allmählich wie ein adultes, also ein erwachsenes Pferd im Erhaltungsbedarf gefüttert werden. Dazu gehört natürlich auch eine passende Rationsberechnung inklusive angemessener, regelmäßiger Mineralfuttergabe.
Wie wichtig das Anpassen der Ration an die Wachstumsphasen des Pferdes ist sei am Beispiel des Bedarfs an Mineralstoffen geueogt: Während sich der Calciumbedarf eines Fohlens mit 7 – 12 Monaten (Endgewicht ca. 600 kg) überhaupt nicht von dem eines 13 – 24 Monate alten Tieres unterscheidet, steigt der Bedarf von Kalium um etwa 30 % an. Der Bedarf an Magnesium und Natrium um ähnliche Größen, wohingegen jedoch der Phosphorbedarf um rund 25 % sinkt. Wer einfach stetig wachsende Haferportionen (Phosphoreintrag) und Standard-Mineralfutterportionen zufüttert(zu viel Calcium und u. U. zu wenig Magnesium und Natrium), versorgt sein Jungpferd sowohl im Überfluss als auch im Mangel. Und wie schon gesagt: Zuviel ist ebenso schädlich wie zuwenig.
Regelmäßige Hufkontrolle kann Fehlentwicklungen vorbeugen
Ebenso regelmäßig wie die Rationen sollten die Hufe des heranwachsenden Reitpferdes überprüft, gepflegt und gegebenenfalls korrigiert werden. Wenn das Fohlen vier Wochen alt ist, ist die Zeit gekommen, den Schmied kennen zu lernen. Er sollte auf jeden Fall Fohlenkenntnisse besitzen,sehr geduldig sein und die ersten Male viel Zeit mitbringen. Es geht zunächst um Sichtkontrolle und positive Konditionierung. Jegliche Grobheit, jedes negative Erlebnis legt den Grundstein für lebenslange Schmiedeprobleme. Es geht primär um eine erste Sichtkontrolle, vielleicht ein kurzes Beinheben. Selten ist schon jetzt Korrekturbedarf. Falls aber doch, ist der frühe Zeitpunkt immer der günstigste. Was man im Fohlenalter versäumt, ist später nur noch schwer wiedergutzumachen. Wie bei erwachsenen Pferden sollte der Hufbearbeiter die Hufe des Fohlens und der Jungpferde alle 6 bis 8 Wochen begutachten und entsprechend bearbeiten.
Der Umgang des Schmiedes prägt ein junges Pferd lebenslang. Er muss immer freundlich und geduldig sein.
Immunabwehr des Absatzfohlens: wann impfen?
Im Alter von 6 Monaten können Fohlen das erste Mal geimpft werden. Es geht dabei um die nötigsten Impfungen (wie z. B. Tetanus). Dabei sind Kombiimpfstoffe zu vermeiden, um eine Überlastung des Immunsystems zu verhindern. Frühere Impfungen sind nicht zu empfehlen. Sie setzen das Pferd nur unnötigen Belastungen aus. Es ist in dieser Zeit noch über die Muttermilch geschützt, das eigene Immunsystem ist noch inkompetent. Der beste Zeitpunkt ist vor dem Absetzen oder 2 bis 3 Monate später, wenn die Trennung von der Mutter und das Verbringen in eine neue Keimsituation (z. B. neue Herde, neuer Stall) weitgehend verkraftet ist. Der Trennungsstress schwächt die Immunabwehr und es verkraftet deshalb eine Impufung schlechter. Eine Tetanus-Grundimmunisierung empfiehlt sich jedoch zwischen dem vierten und dem sechsten Lebensmonat.
Impfungen nicht zu früh. In den ersten Monaten ist das Fohlen über die Muttermilch gut vor Krankheiten geschützt.
Fohlen und Jungpferde richtig entwurmen
In den ersten Lebenswochen ist nur der Befall mit Askariden (Parascaris equorum)von Bedeutung. Erst in der zweiten Weidehälfte im Herbst kommen kleine Strongyliden hinzu. Beide können erhebliche Beschwerden verursachen und müssen behandelt werden. Das beginnt ab der achten oder neunten Lebenswoche und wird in diesem Intervall bis zum Herbst beibehalten, jedoch nicht häufiger als drei Gaben. Angesichts zunehmender Resistenzen durch zu häufiges Entwurmen bei Pferden sollte hinterher die Wirksamkeit durch Kotproben-Untersuchung überprüft werden(Eizahlreduktionstest). Das Intervall sollte nicht verkürzt werden, um das Risiko von Resistenzbildung gering zu halten.
Auch Jungpferde, also abgesetzte Pferde, sollten regelmäßig entwurmt werden. Regelmäßig bedeutet in diesem Zusammenhang nur, dass die Entwurmung immer wieder erfolgt – nicht, dass sie in bestimmten Zeiträumen zu erfolgen hat. „Bei uns werden die Pferde alle drei Monate entwurmt“, klingt erst einmal vielversprechend, bedeutet aber nur, dass die Pferde regelmäßig mit Wurmkuren belastet werden. Auch, wenn der Befall möglicherweise nur gering ist und damit absolut akzeptabel.
Das parasitenfreie Pferd ist aufgrund der fehlenden Immunstimulation unerwünscht und zudem ist es auch praktisch unmöglich.
Unnötiges Entwurmen fördert Resistenzen und ist daher abzulehnen.
Regelmäßige Kotproben geben einen groben Überblick über die parasitäre Belastung und können zur Festlegung der Wurmkurgabe durchaus herangezogen werden. Diese „selektive Entwurmung“ folgt den neuesten Erkenntnissen über Zusammenhänge zwischen Resistenzbildung und der Häufigkeit von Antiparasitika-Gaben.
Bei der richtigen Auswahl der Wurmkur sollten unbedingt bereits bekannte Resistenzen, also Unempfindlichkeiten der Würmer gegen bestimmte Wirkstoffgruppen beachtet werden. Diese sind regional durchaus unterschiedlich ausgeprägt, der Tierarzt ist hier jedoch normalerweise immer auf dem neuesten Stand und sollte bei der Auswahl des Wurmmittels entsprechend gefragt werden. Auch sollten die Wurmkur-Wirkstoffe nicht von Entwurmung zu Entwurmung gewechselt werden, wie es vielerorts noch immer empfohlen wird.
Die Entwurmung von Jungpferden gehört unbedingt in die Hände eines Fachmanns. Es gibt allerdings sinnvolle Maßnahmen, die den Parasitendruck, das heißt, die Infektionsmöglichkeit mit Parasiten, erheblich vermindern. Dazu gehören:
- tägliches Reinigen des Auslaufs,
- konsequentes Absammeln der Pferdeäpfel von der Weide,
- Abmähen der Geilstellen,
- Abschleppen der Koppel im Herbst.
Werden all diese Maßnahmen beachtet, kann man sich nicht nur an einem vitalen und sich gut entwickelndem Jungpferd erfreuen – man legt auch einen soliden Grundstein für ein belastbares Leben als Reitpferd.