VEGAN FOR PETS – Konsequenter Tierschutz oder Fütterungstrend mit Risiken?

VEGAN FOR PETS – Konsequenter Tierschutz oder Fütterungstrend mit Risiken? (© Fotoschlick – stock.adobe.com)

Vegane Ernährung bei Tieren

Einige Tierrechtsorganisationen und immer mehr vegan lebende Menschen wünschen mittlerweile auch für Haustiere eine vegane Ernährung. Ist eine Fütterung frei von tierischen Produkten tatsächlich sinnvoll und gesund für unsere Hunde und Katzen? Wir haben den Weltvegantag als Anlass genommen und eine Expertin zum Thema Darmgesundheit befragt!

Im Zeitalter der Massentierhaltung mit all ihren Folgen scheint es die logische Konsequenz zu sein, auf Lebensmittel tierischen Ursprungs in so vielen Bereichen wie möglich zu verzichten. Aktuelle Studien legen nahe, dass zumindest für den Menschen eine ausgewogene und vielseitige vegane Ernährung sogar gesundheitliche Vorteile haben kann.

Wie aber sieht es bei unseren beliebtesten Haustieren aus? Können wir aus den vorliegenden Informationen zum Verdauungssystem von Hund und Katze Rückschlüsse darauf ziehen, ob eine Ernährung frei von tierischen Produkten sinnvoll und gesund wäre?

Ist eine Ernährung frei von tierischen Produkten sinnvoll und gesund?

Die Fronten der Gegner und Befürworter dieses Vorstoßes scheinen verhärtet. Wo die Befürworter mit der Anpassung durch Domestikation argumentieren, halten die Gegner mit der Beschaffenheit des Verdauungssystems dieser Beutetierfresser entgegen.

Vielleicht lässt sich etwas Licht ins Dunkel des Verdauungstrakts bringen, wenn wir uns die neuesten Erkenntnisse der Mikrobiomforschung ansehen.

Interview mit Frau Dr. Silke Stricker

Wir fragen Dr. Silke Stricker (www.vethomoeopathik.com) – Tierärztin mit den Praxisschwerpunkten klassische Homöopathie und Darmgesundheit –, wie sie die langfristigen Auswirkungen einer veganen Ernährung auf das Mikrobiom und damit auf die Gesundheit und die Lebensqualität von Hunden und Katzen einschätzt.

Frau Dr. Stricker, können wir überhaupt in einem Atemzug von der Ernährung von Hund und Katze reden?

Hunde und Katzen gehören zu den beliebtesten Haustieren. Ihr Hauptfuttermittel ist Fleisch, aber es gibt wichtige Unterschiede zu beachten. Werfen wir einen Blick auf ihre Domestikation und Entwicklungsgeschichte: Hunde leben seit mehreren zehntausend Jahren mit uns Menschen zusammen und haben sich dabei unter anderem von dem ernährt, was wir ihnen von unserer Nahrung übrig gelassen haben. Dadurch ist der Hund heute an eine viel breitere Futterpalette angepasst, sodass er durchaus als Omnivore bezeichnet werden kann.

Katzen hingegen sind etwa vor viertausend Jahren ihren Beutetieren – sprich: Mäusen – in die Nähe des Menschen gefolgt. Sie sind aber bis heute Individualisten geblieben und haben nicht von unserer Ernährung profitiert. Sie sind Karnivoren und benötigen tierisches Protein. Da die Beutetiere wild lebender Katzen aber vollständig verspeist werden – samt Mageninhalt und Verdauungstrakt – ist ein kleiner Anteil an pflanzlicher Nahrung bzw. Kohlenhydraten sinnvoll und auch artgerecht. Wir sprechen hier aber nur von etwa 10 Prozent.

Bleiben wir zunächst bei der Katze. Wie reagiert ihr Darmmikrobiom, wenn es nur noch mit pflanzlicher Nahrung zu tun hat?

Das Mikrobiom des Karnivoren Katze ist auf die Verdauung von tierischem Protein spezialisiert. Bei veganer Fütterung kommt es in kurzer Zeit zu einer Verschiebung der Zusammensetzung des Mikrobioms und zu Verdauungsproblemen. In der Praxis sieht man diese Probleme in Form von übel riechenden Durchfällen und auch Darmentzündungen. Ein durch alleinige Pflanzenkost entstehender Taurin- und Vitamin-A-Mangel kann außerdem zu Herzmuskelschäden, Augenerkrankungen bis hin zu Blindheit, Störungen des Immunsystems, Wachstumsproblemen usw. führen.

Dazu kommt, dass Katzen bei der Wahl ihres Futters sehr, sehr wählerisch sind. Die Umstellung auf fleischlose Fütterung führt deshalb häufig zu Untergewicht. Nimmt die Katze eine Zeit lang weniger Futter auf, gefällt das dem Mikrobiom wiederum nicht, denn es lebt ja von dem, was der Wirt aufnimmt. Bei rein pflanzlicher Kost bekommt die Katze also nicht nur ungeeignetes Futter, sondern unter Umständen auch insgesamt zu wenig Nährstoffe. Dadurch wird die Dysbiose – also das mikrobielle Ungleichgewicht im Darm – zusätzlich verstärkt.

Katzen sind bei der Zusammensetzung ihres Futters sehr wählerisch. (© Heike Herden – stock.adobe.com)

Stichwort „Mangelerscheinungen“: Verfechter des Veganismus würden dagegenhalten, dass vegane Alleinfuttermittel mit allen erforderlichen Nährstoffen angereichert werden. Können diese Zusatzstoffe ein vollwertiger Ersatz sein?

Da es sich größtenteils nicht um natürliche, sondern um synthetische Mikronährstoffe handeln dürfte, wäre ich da vorsichtig. Manche synthetischen Vitamine stehen im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Außerdem werden sie weniger gut resorbiert als ihre natürlichen Varianten.

Wie sieht es beim Hund aus – kommt er mit einer veganen Ernährung besser zurecht als die Katze? Auch aus mikrobiotischer Sicht?

Theoretisch ja. Wie gesagt, der Hund lebt schon sehr lange eng mit uns zusammen und ist heute sehr vielseitig in seiner Ernährung. Neuere Untersuchungen haben sogar gezeigt, dass sich das Mikrobiom von Mensch und Hund sehr ähnelt. Dafür gibt es mehrere Erklärungsmodelle. Der Hund könnte sich uns angepasst haben, weil er über lange Zeit von unseren Essensresten profitiert hat. Andererseits kann es durch den engen Kontakt zur Überlappung von menschlicher und tierischer Darmflora gekommen sein. Studien zeigen zum Beispiel auch gleiche Reaktionen bei Mensch und Hund auf eine veränderte Nahrungsmittelzusammensetzung. Deshalb geht man davon aus, dass man Hunde in Zukunft auch zur Erforschung des menschlichen Mikrobioms heranziehen kann. Hunde sind uns in dieser Hinsicht viel ähnlicher als zum Beispiel Schweine. Das ist erstaunlich, denn die Rüsselträger sind uns genetisch so viel näher.

Was genau passiert im Darm, wenn die Ernährung auf rein pflanzlich umgestellt wird?

Da sich das Mikrobiom von Hund und Mensch stark angenähert hat, kann man hier zunächst durchaus den menschlichen Veganer als Beispiel heranziehen. Da ist es tatsächlich so, dass sich das Mikrobiom in Richtung der erwünschten Standortflora verändert. Man sieht dann mehr Milchsäurebakterien und auch eine Zunahme der Diversität, also eine größere bakterielle Vielfalt. Die Konsequenz daraus müsste eine verbesserte Kolonisationsresistenz sein, das heißt, der Darm ist wehrhafter gegenüber Schadbakterien, was von gesundheitlichem Vorteil wäre. Belegt ist das aber noch nicht.

Trifft das auch auf den Hund zu?

Das ist zumindest vorstellbar. Wie genau die Darmflora des Hundes auf pflanzliche Proteine reagiert und ob sie sich umstellt, ist allerdings noch unklar.

Hunde sind trotz ihrer phänomenalen Anpassung immer noch nicht darauf ausgelegt, Pflanzenfasern und Ballaststoffe im Darm vollständig aufzuschließen.

Ihr Gebiss ähnelt sehr dem eines Fleischfressers. Ihr Darm ist im Verhältnis zur Körperlänge zu kurz und zu einfach gebaut, dazu fehlt es ihnen an spezialisierten Bakteriengesellschaften zum Rohfaseraufschluss. Von pflanzlichem Futter profitieren Hunde nur, wenn diese Kost vorab entsprechend aufgeschlossen wird, also zum Beispiel durch Garen.

Im Dünndarm finden die meisten Abbauvorgänge statt. Beim Menschen haben wir hier eine Resorptionszeit von mehreren Stunden, in der Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße verdaut und aufgenommen werden. Beim Hund erfolgt diese Darmpassage viel schneller, außerdem werden Zucker und Stärke nicht so gut aufgeschlossen wie beim Menschen. Insbesondere die Stärke kann nur in aufgeschlossener Form und in bestimmten Mengen verdaut werden. Andernfalls landet sie vermehrt im Dickdarm und verbleibt dort erst einmal.

Normalerweise ist der Dickdarm darauf eingerichtet, Mineralstoffe und Wasser aufzunehmen – mit Stärke kann er nichts anfangen. Es vermehren sich bestimmte Bakterien, die Gase und kurzkettige Fettsäuren als Stoffwechselprodukte herstellen. Blähungen können die Folge sein, dazu weicher bis flüssiger Kot, sauer oder übelriechend. Die Fettsäuren säuern das Darmmilieu an und können die Dickdarmschleimhaut schädigen. Sie reagiert entzündlich. Vorstellbar wäre als Folge sogar ein Leaky-Gut-Syndrom, also ein durchlässiger Darm.

Das Mikrobiom von Hund und Mensch hat sich stark angenähert. (© Юлия Усикова – stock.adobe.com)

Welche weiteren Bedenken haben Sie in Bezug auf vegane Ernährung?

Bisher haben wir über die allgemeine Nährstoffverfügbarkeit aus Pflanzen zu wenig verlässliche Daten. Es liegen lediglich einige Erfahrungswerte vor. Trotz präziser rechnerischer Bedarfsdeckung kann es immer zu chronischen Unterversorgungen kommen – ein Punkt, der noch wichtiger ist als die Gefahr einer Dysbiose.

Ein weiteres Thema, gerade mit Blick auf den Darm, ist die Zinkversorgung. Zink ist wichtig für die Regeneration der Darmschleimhaut. In Pflanzen vorkommendes Zink ist für Hunde schlechter verwertbar. Die Darmschleimhaut schilfert ständig ab, das ist physiologisch. Wenn sich die Schleimhaut nun aufgrund eines Zinkmangels nicht mehr schnell genug regenerieren kann, kann es zu einer Atrophie (Gewebeschwund) kommen. Damit fehlen auch Rezeptoren für die erwünschten Darmbakterien und die Dysbiose wird verstärkt.

Bei veganer Ernährung müssen größere Mengen gefüttert werden, weil die Verwertbarkeit geringer ist. Es wird also mehr Kot produziert, der oft zu weich ist. Durch den fehlenden Dehnungsreiz können Probleme mit den Analbeuteln auftreten.

Gibt es Ausnahmesituationen, in denen ein Hund von veganer Fütterung profitieren könnte?

Ja, tatsächlich, es gibt Indikationen für diese Art der Fütterung. Da wäre zum einen eine starke Belastung mit Clostridien. Dazu kann es kommen, wenn der Hund zum Beispiel durch minderwertiges Fleisch mit großem Bindegewebsanteil, das zu lange im Darm verbleibt, stark in eine Fäulnisflora abgeglitten ist. Diesen Patienten könnte man entlasten, indem man einige Wochen vegan füttert, da den Clostridien das neue Milieu nicht behagen würde.

Dann gibt es noch das Phänomen der dauerhaften Überfütterung mit tierischem Protein. Diese „übereiweißten“ Hunde können unter harnsaurer Diathese leiden und gichtähnliche Symptome zeigen. Eine rein pflanzliche Kost könnte diesen Kreislauf unterbrechen.

In jedem Fall sollte dies aber nur für kurze Zeit und unter fachkundiger Aufsicht erfolgen.

Denkbar ist auch, dass Hunde mit bestimmten chronischen Erkrankungen von einer dauerhaften veganen Ernährung profitieren. Auch hier gilt: keine Futterumstellung in Eigenregie, sondern Beratung und Kontrolle durch Ernährungsspezialisten.

Ist denn die vegetarische Ernährung des Hundes eine Option?

Da hier die Proteinversorgung über gut verwertbares tierisches Eiweiß in Form von Milchprodukten und Eiern erfolgt, ist diese Möglichkeit realistisch. Allerdings sollte die Zusammensetzung des Futters von einem Ernährungsspezialisten exakt für den jeweiligen Hund berechnet werden. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind erforderlich, um möglichen Mängeln, insbesondere beim Calcium, rechtzeitig entgegenwirken zu können. Es reicht also nicht, einmal einen Futterplan erstellen zu lassen und den Hund dann für den Rest seines Lebens so und nicht anders zu füttern.

Angenommen, Sie wären im Besitz einer funktionstüchtigen Glaskugel: Was wird in 10 Jahren in die Näpfe unserer Haustiere kommen? Insektenproteine, In-vitro-Fleisch?

Ob sich Futter auf Basis von Insektenproteinen durchsetzen wird, kann man nicht sagen. Zurzeit wird diskutiert, ob das Chitin der Insektenpanzer womöglich ein neues Allergierisiko birgt. Andererseits gibt es Hunde, die überhaupt kein anderes Eiweiß mehr vertragen und tatsächlich auf Insekten angewiesen sind. Für Veganer ist das natürlich auch keine Alternative, denn Insekten sind schließlich auch Tiere.

In-vitro-Fleisch, also aus Stammzellen gezüchtetes Fleisch, wäre tatsächlich eine pragmatische Lösung. Zu den gesundheitlichen Folgen kann man natürlich noch nichts sagen. Aber es lässt sich schließlich nicht bestreiten, dass wir weltweit auf ein Ernährungsproblem zusteuern bzw. dass wir dieses Problem längst haben. Der Mensch nimmt einfach zu viel Fleisch zu sich und unser Umgang mit sogenannten „Nutztieren“ ist ebenfalls mehr als problematisch. Ich kann mir deshalb gut vorstellen, dass „kultiviertes Fleisch“ in absehbarer Zeit eine Alternative darstellen wird – vielleicht auch für Veganer, die ihre Haustiere ethisch vertretbar füttern wollen.

Vielen Dank für dieses interessante Gespräch, Frau Dr. Stricker!

Dozenten und Autoren ATM - Autorin Christiane Rose

Christiane Rose

Christiane Rose ist Heilpraktikerin, klassische Homöopathin, Tierkommunikatorin und Übersetzerin. Nachdem sie einige Jahre im Humanbereich praktiziert hatte, zeichnete sich der Weg zur Tierheilkunde immer deutlicher ab. Den Einstieg fand sie mit dem ATM-Lehrgang „Anatomie, Physiologie und Pathologie“. Es folgten zahlreiche veterinärmedizinische und tierhomöopathische Fortbildungen, Seminare, Praktika und schließlich die ATM-Ausbildung zur Tierheilpraktikerin für Hund und Katze. Ihre mobile Praxis für Tierhomöopathie eröffnete Christiane Rose 2017 im oberbergischen Wiehl (östlich von Köln).

christiane-rose.de

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