Das trockene Auge bei brachycephalen Hunderassen

Das trockene Auge bei brachycephalen Hunderassen (Mylene2401 – Pixabay)

Brachycephale Hunderassen erfreuen sich seit längerem großer Beliebtheit. Rassebedingt neigen diese Hunde allerdings vermehrt zu bestimmten Augenerkrankungen. Tränenfilmstörungen (umgangssprachlich als „trockenes Auge“ bezeichnet) zählen neben Hornhauterosionen (oberflächliche Hornhautabschürfungen) und Hornhautulcera (Hornhautgeschwür) zu den häufigsten Augenerkrankungen bei Brachycephalen. Die Symptome dieser Erkrankung sind für den Halter anfangs oft schwer wahrnehmbar. Ohne adäquate Therapie kann es im schlimmsten Fall aber zur Erblindung des Hundes kommen.

Ein trockenes Auge kann verschiedene Ursachen haben. Zum einen eine ungenügende Tränenproduktion aufgrund einer Funktionsstörung der Tränendrüse (quantitative Tränenfilmstörung, quantitative Keratokonjunktivitis sicca, kurz KCS), zum anderen eine Störung in der Zusammensetzung des Tränenfilms (qualitative Tränenfilmstörung, qualitative Keratokonjunktivitis sicca).

Weitere Ursachen für ein zu trockenes Auge sind:

  • Störungen des Lidschlusses
  • lokale Anwendung bestimmter Medikamente (beispielsweise manche Medikamente zur Behandlung des grünen Stars)
  • äußere Einflüsse (Wind, Staub, Pollen, trockene Luft).

Physiologische Grundlagen des Tränenfilms im Hundeauge

Der Tränenfilm ist essentiell für die Befeuchtung und Ernährung der Kornea (Hornhaut), da diese selbst über keine Blutgefäße verfügt. Weitere Aufgaben des Tränenfilms sind die Lichtbrechung und immunologische Funktionen. Der Tränenfilm selbst besteht aus drei Schichten. Die äußerste Schicht ist die Lipid- (Fett-) Schicht, darunter liegt die wässrige Phase und die unterste, dem Korneaepithel direkt anliegende Phase, ist die Mucin- (Schleim-) Schicht.

Die Lipidschicht wird von den Meibomschen Drüsen im Lidrand produziert. Für die Produktion sind essentielle Fettsäuren notwendig. Die Lipidschicht stabilisiert den Tränenfilm und verhindert die Verdunstung der darunter liegenden wässrigen Phase. Die wässrige Phase wird von der Tränendrüse und der Nickhautdrüse produziert. Die Produktion der Mucinschicht findet in den Becherzellen der Bindehaut statt. Diese Schicht dient der Haftung des Tränenfilms auf der Hornhaut.

Mechanische Voraussetzungen für einen gesunden Tränenfilm sind:

  • ein kompletter Lidschluss
  • ein glatter Lidrand
  • physiologisches Blinzeln
  • eine glatte Korneaoberfläche

Anatomische Besonderheiten am Auge bei Brachycephalen

Rassebedingt haben diese Hunde eine sehr große Lidspalte (Makroblepharon) und häufig im Bereich des inneren Augenwinkels ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes Rolllid nach innen (sog. nasales Entropium). In diesem Bereich reiben die Haare permanent auf der Kornea. Zusätzlich haben diese Hunde eine sehr flache Orbita (Augenhöhle). Als Folge davon steht der Bulbus oculi (Augapfel) weiter hervor als normal (Exophthalmus). Dies führt dazu, dass teilweise kein kompletter Lidschluss möglich ist (Lagophthalmus).

Brachycephalie bewirkt ein niedliches Aussehen des Hundes (© LauraTara – Pixabay)

Ursachen für eine Tränenfilmstörung bei Hunden

Bei den Ursachen muss zwischen einer qualitativen Tränenfilmstörung und einer quantitativen Keratokonjunktivitis sicca (KCS) unterschieden werden. Die Ursachen für eine quantitative KCS sind vielfältig. Die häufigste Ursache ist eine lokale immunbedingte Erkrankung der Tränen-/Nickhautdrüse. Bei manchen Hunden mit KCS können Autoantikörper gegen die Tränen-/Nickhautdrüse nachgewiesen werden. Auch eine neurologische Störung kann als Ursache vorliegen, beispielsweise bedingt durch ein Trauma oder eine entzündliche Erkrankung. Hierbei kommt es zu einer Störung der parasympathischen Innervation der Tränendrüse, beispielsweise durch ein Trauma oder eine entzündliche Erkrankung. Diese Störung kann ein- oder beidseitig auftreten. Da die Drüsen in der Nase beim Hund durch den gleichen Nerv innerviert werden, zeigen betroffene Hunde auf der gleichen Seite ein trockenes, krustiges Nasenloch. Weitere Ursachen für eine KCS sind hormonelle Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes mellitus oder eine Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion).

Die qualitative Tränenfilmstörung ist, wie oben bereits erwähnt, durch eine mangelhafte Zusammensetzung des Tränenfilms gekennzeichnet. Ursachen für eine unzureichende Produktion der Schleimkomponente sind vorangegangene Entzündungen (Konjunktivitis), Narbenbildung oder Vitamin-A-Mangel. Die Produktion der Lipidschicht findet in den Meibomschen Drüsen des Lidrandes statt. Lidrandentzündungen, Fehlstellungen, Allergien oder immunvermittelte Erkrankungen können die Produktion dieser Phase beeinträchtigen.

Pathogenese des trockenen Auges bei brachycephalen Hunderassen

Die Kombination aus den anatomischen Besonderheiten und einer Störung des Tränenfilms führt zu einer Dauerirritation der Kornea und einer chronischen Entzündung (Keratitis). Infolgedessen wird bräunliches Pigment in die Kornea eingelagert (Keratopathia pigmentosa). Die Pigmentierung beginnt meist nasal und schreitet im Verlauf der Erkrankung weiter fort. Ohne Therapie führt diese zunächst zu einer Einschränkung des Sehvermögens und schließlich zu einer vollständigen Erblindung des betroffenen Hundes.

Symptome einer Tränenfilmstörung bei Hunden

Betroffene Hunde zeigen einen charakteristischen schleimigen Augenausfluss. Dieser wird von den Haltern oftmals irrtümlicherweise für Eiter gehalten. Außerdem blinzeln die Hunde vermehrt oder zeigen Blepharospasmus (krampfartiger Lidschluss) als Anzeichen für einen Reizzustand. Die Augen erscheinen oftmals vermehrt gerötet, im fortgeschrittenen Stadium kann bereits eine Vaskularisation (Gefäßeinsprossungen) und Pigmentierung der Kornea vorliegen.

Vermehrtes Blinzeln sollte ernst genommen werden. (© iside81- stock.adobe.com)

Diagnostik einer Tränenfilmstörung beim Hund

Im Rahmen der Augenuntersuchung wird zunächst der Schirmer-Tränen-Test (STT) durchgeführt. Dieser ist ein Maß für die Menge an wässriger Träne. Werte unter 15 mm/min zusammen mit entsprechenden klinischen Symptomen sind krankheitstypisch für eine quantitative KCS. Bei einer qualitativen Tränenfilmstörung sind die STT-Werte normal oder hoch.

Als nächstes erfolgt eine Untersuchung mittels Spaltlampe. Hierbei werden insbesondere die Lidränder und die Bindehaut auf Anzeichen einer Meibomiantis (Entzündung der Drüsen im Lidrand), Blepharitis (Entzündung der Lider) oder Konjunktivitis (Entzündung der Bindehaut) untersucht. Danach wird die sogenannte Tränenfilm-Aufrisszeit (TFAZ) bestimmt. Diese wird in Sekunden angegeben und ist ein Wert dafür, wie lange der Tränenfilm stabil auf der Kornea liegt. TFAZ-Werte unter 20 Sekunden zusammen mit entsprechenden klinischen Symptomen sind hinweisend für eine qualitative Tränenfilmstörung.

Therapie einer Tränenfilmstörung bei Hunden

Wie bereits beschrieben, liegt bei dieser Erkrankung ein komplexes Geschehen vor, bei dem verschiedene Komponenten eine Rolle spielen. Es handelt sich um eine chronische Erkrankung. Eine Heilung ist nicht möglich. Dies bedeutet, dass eine dauerhafte Therapie notwendig ist.

Zunächst gilt es, mögliche mechanische Faktoren zu eliminieren. So ist je nach Patient eine chirurgische Korrektur des Rolllids bzw. des zu großen Lidspaltes anzuraten. Bei Vorliegen einer Stauung der Meibomschen Drüsen sollten die Ausführungsgänge eröffnet werden. Dies geschieht zum Beispiel mit feucht-warmen Kompressen, die für einige Minuten auf die Augen gelegt werden.

Bei einer qualitativen Tränenfilmstörung kann die Zufütterung essentieller Fettsäuren (z.B. Lein- oder Lachsöl) hilfreich sein. Auch die Optimierung der Umgebungsfaktoren, beispielsweise durch einen Luftbefeuchter, kann zu einer Verbesserung führen. Zur medikamentösen Therapie ist zu sagen, dass es nicht ein einziges Präparat gibt, das für jeden Patienten passend ist. Grundsätzlich zu unterscheiden sind Präparate mit antientzündlicher Wirkung (Kortikosteroide), Tränenersatzmedikamente und Präparate, die Tränenproduktion anregen (lakrimogene Wirkung).

Die Verträglichkeit der Medikamente ist individuell sehr unterschiedlich. Grundsätzlich sind Präparate ohne Konservierungsmittel zu bevorzugen. Je nach Schwere der Erkrankung muss für jeden Patienten individuell die passende Therapie gefunden werden.

Prognose des trockenen Auges bei Hunden

Die Prognose hängt zum einen vom Schweregrad der Erkrankung zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ab. Ebenso wichtig ist aber auch die Compliance der Halter hinsichtlich der dauerhaften Therapie und der regelmäßigen Kontrollen beim Tierarzt.

Dozenten und Autoren ATM - Autorin Dr. med. vet. Eva-Maria Rottach

Dr. med. vet. Eva-Maria Rottach

Frau Dr. med. vet. Eva-Maria Rottach studierte Tiermedizin in München an der Ludwig- Maximilians-Universität. Bereits während des Studiums spezialisierte sie sich auf die Kleintiermedizin. Nach Abschluss ihrer Promotion war sie in verschiedenen Kleintierkliniken und Praxen im Großraum München tätig, unter anderem an der chirurgischen Tierklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München. Hier hatte sie die Gelegenheit nicht nur als Tierärztin tätig zu sein, sondern auch ihr Wissen an die Studierenden weiter zu geben.

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