Zecken und Zeckenkrankheiten – Teil 1

Zecken und Zeckenkrankheiten – Teil 1 (Erik_Karits – Pixabay)

Zecken stehen im Sympathie-Ranking ganz weit unten. Eher noch etwas tiefer, wenn das ginge. Klein, unscheinbar und gemein, Tendenz eklig. Bis auf eine Handvoll Wissenschaftler mag sich niemand mit ihnen anfreunden, denn die kleinen Spinnentiere haben es im wahrsten Sinne des Wortes in sich. Sie übertragen die Erreger von Krankheiten der besonders unangenehmen Art. Anaplasmose, Babesiose, Borreliose und Co werden deshalb auch oft als Zeckenkrankheiten bezeichnet. Was eigentlich irreführend ist, denn die Zecken werden nicht krank. Sie sind nur der „Lieferservice“. Krank werden ihre Wirtstiere, die Empfänger der Lieferung.

Beißen oder stechen Zecken?

Etwa 900 Zeckenarten sind weltweit bekannt. Sie stechen (nicht: beißen!) ihren Wirt mit ihrem Stechrüssel (Hypostom), nachdem sie zuvor mit ihren Mundwerkzeugen (Chelizeren) dessen Haut angeritzt haben. Haben sie sich festgesetzt, nehmen sie mit dem Rüssel Blut, Lymphe und Gewebe auf und speichern sie in ihrem Körper. Zahlreiche Substanzen in ihrem Speichel verhindern die Blutgerinnung an der Einstichstelle, an der sie sich bis zu 15 Tage lang vollsaugen. Als „Dankeschön“ infizieren sie den Wirt dafür manchmal mit den Krankheitserregern, die sie in sich tragen.

In sehr seltenen Fällen können die Folgen eines Zeckenstiches sogar tödlich verlaufen. Sei es durch Schockreaktion wie nach einem beim Menschen als Fehlwirt sehr seltenen Stich der Taubenzecke (Argas reflexus) oder – ebenfalls extrem selten – sogar durch ein direkt übertragenes Toxin wie bei der im östlichen Australien vorkommenden Weißen Zecke (Ixodes holocyclus). An dieser Stelle Entwarnung für uns: Die Weiße Zecke gibt es hier nicht. Die Igelzecke (Ixodes hexagonus ) erscheint zwar auch hell, aber sie ist nicht gemeint.

Keine der von Zecken übertragenen Krankheiten ist auf die leichte Schulter zu nehmen und alle gehen mit heftigen, oft langwierigen Symptomatiken einher, manche davon potenziell lebensbedrohlich. Hinzu kommen mögliche Langzeitschäden. Kein Wunder also, dass Zecken im Ranking der unbeliebtesten Tierarten ganz vorne dabei sind.

Zecken stechen bevorzugt an gut durchbluteten Stellen mit wenig Fellwuchs (© Pixabay)

Längst keine Reisekrankheiten mehr

Manche der Erreger waren bei uns noch bis vor wenigen Jahren exotische Importe nach Auslandsreisen. Die durch sie ausgelösten Krankheiten wurden folgerichtig als Reisekrankheiten bezeichnet, und der Name „Mittelmeerkrankheiten“, der ebenfalls für sie verwendet wird, ist dem ursprünglichen Verbreitungsgebiet geschuldet. Klimaveränderungen, Hundetourismus, die Einfuhr von Tierschutzhunden aus den Mittelmeerländern haben Zeckenarten zu uns gebracht, die zuvor in unserer gemäßigten Klimazone nicht heimisch waren, nicht endemisch, wie es fachsprachlich heißt. Mit den Zecken kamen Krankheitserreger, die von ihnen auf Menschen und Tiere übertragen wurden. Und heimische Zecken infizieren sich, auch, indem sie die Erreger über ein zwar nicht erkranktes, aber trotzdem Erreger tragendes Tier aufnehmen. Solche Tiere dienen als unerkanntes Erreger-Reservoir.

Zecken dienen den Erregern als Vektor (Verbreiter). Die durch sie ausgelösten Krankheiten werden deshalb als „Vektorenkrankheiten“ bezeichnet. Die meisten Erreger der von Zecken übertragenen Krankheiten brauchen die Zecke unbedingt als Zwischenwirt. Säugetiere – Hunde, Katzen, aber auch wir und andere Säuger – können sich fast ausschließlich nur dann damit infizieren, wenn sie von einer Zecke gestochen werden. Die direkte Übertragung von einem infizierten Tier oder Menschen auf andere Säuger ist extrem unwahrscheinlich, denn dazu ist ein Blut-Blut-Kontakt mit Übertrittsmöglichkeit in den Körper nötig. Bei uns können sich Mensch und Tier demzufolge fast ausschließlich nur dann infizieren, wenn die übertragende Zeckenart auch bei uns vorkommt. Entweder weil das einzelne Tier eingeschleppt wurde, oder aber, weil die Klimaveränderung auch solchen Zeckenarten das Überleben bei uns ermöglicht, die vorher in wärmeren Klimazonen heimisch waren.

Die wichtigsten Zeckenarten bei uns

Die Vielfalt der Zeckenarten ist groß, und es werden immer wieder neue Arten eingeschleppt. Heimisch werden sie jedoch nur, wenn sie aufgrund milder Temperaturen bei uns überwintern können und zur Fortpflanzung kommen. Zuletzt geriet Hyalomma, die Riesenzecke, in die Schlagzeilen. Von ihr wird vermutet, dass sie hier heimisch werden könnte, aber noch ist sie so selten, dass die Gefahr, von ihr gestochen zu werden, als extrem gering einzustufen ist. Endemisch sind dagegen unter anderem:

  • Gemeiner Holzbock (Ixodes ricinus)
  • Igelzecke (Ixodes hexagonus)
  • Auwaldzecke (Dermacentor reticularis)
  • Schafzecke (Dermacentor marginatus )
  • braune Hundezecke (Rhipicephalus sp.)
  • Taubenzecke (Argas reflexus)
Zecken warten auf Wiesen und in lichten Laubwäldern auf Wirte (© Patricia Lösche)

Der Stich einer Zecke ist schmerzlos

Zecken halten sich besonders gern in Mischwäldern und an Wiesenpflanzen auf. Aber sie überleben auch in Wohnungen, als „Reiseandenken“ importiert im Fell von Bello nach dem letzten Urlaub am Mittelmeer oder als Zugabe bei der Adoption von Tieren aus dem Auslandstierschutz. Ein Kribbeln, wenn sie auf der Suche nach einer lukrativen Stelle für den Stich über die Haut krabbeln, mehr spürt man nicht von ihnen, wenn sie sich niederlassen. Wenn sich der Hund also auf dem Spaziergang plötzlich hinsetzt und kratzt, lohnt sich genaues Hinsehen.

Der Stich selbst ist schmerzlos. Der Zeckenspeichel setzt sich aus zahlreichen Substanzen zusammen, die einen ganzen Wirkstoff-Cocktail bilden. Er ist unter anderem entzündungshemmend, gerinnungshemmend und schmerzstillend. Deshalb bleibt der Stich zunächst meist unbemerkt. Allerdings kann er danach insbesondere bei Hunden und Katzen heftigen Juckreiz auslösen. Kratzen, belecken und beknabbern der Stichstelle führt dann sekundär unter Umständen zu einer behandlungsbedürftigen Leckdermatitis oder einem Hot Spot.

Bei uns vorkommende Zecken und von ihnen übertragene Krankheiten

KRANKHEITERREGERÜBERTRAGENDE ZECKE
Humane/Bovine/Feline/ Granulozytäre Canine Anaplasmose AnaplasmoseMischlinge
Tierschutzhunde
Gemeiner Holzbock (Ixodes ricinus) Schafzecke (Dermacentor marginatus)
BabesioseBabesienDermacentor reticularis (Auwaldzecke) Babesia Rhipicephalus sp. (braune Hundezecke) Schafzecke (Dermacentor marginatus)
Lyme BorrelioseBorellia burgdorferi sensu latuGemeiner Holzbock (Ixodes ricinus) Igelzecke (Ixodes hexagonus)
EhrlichioseEhrlichia canisBraune Hundezecke (Rhipicephalus sp.)
Frühsommer-Meningoencephalitis (FSME):FSME-VirusGemeiner Holzbock (Ixodes ricinus) Igelzecke (Ixodes hexagonus ) Auwaldzecke (Dermacentor reticularis)
Krim-Kongo-Fieber Kongo-FleckfieberKrim-Kongo-Fieber-Virus (CCHFV)Hyalomma-Zecke (Hyalomma marginatum)

Angesichts der vielen Zeckenarten und der schweren Krankheiten, die sie übertragen können, stellt sich die Frage, welchen Nutzen die Lästlinge eigentlich haben, abgesehen davon, dass sie Immunsystemtester sind. Die Cayenne-Zecke (Amblyomma cajennense) könnte es hier auf das Siegertreppchen schaffen. Ihr Speichel enthält das Eiweiß Amblyomin-X. Es klingt zwar eher nach Aliens aus dem All, aber einer brasilianischen Studie zufolge lassen sich damit erfolgreich Tumore bekämpfen, ohne zugleich gesunde Zellen zu schädigen. Das fand ein Team um die Wissenschaftlerin Ana Marisa Chudzinski-Tavassi im brasilianischen Sao Paulo heraus. In Versuchen an Pferden konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass sich eine Form von Hauttumoren (Schimmel-Melanome) damit erfolgreich behandeln lässt. Nach einer fünftägigen Therapie schrumpften die Melanome bis hin zur vollständigen Rückbildung. Nebenwirkungen durch die Behandlung gab es nicht. Ob das auch für die Therapie bestimmter Tumore beim Menschen eine Option sein könnte, daran wird geforscht.

Die wichtigsten Informationen zu den bei uns von Zecken verbreiteten Krankheiten lesen Sie im zweiten Teil des Artikels.

Dozenten und Autoren ATM - Autorin Patricia Lösche

Patricia Lösche

Patricia Lösche ist freie Autorin, Text- und Bild-Journalistin. Der Dolmetscher-Ausbildung folgten Biologie- und Journalistik-Studium, freier und redaktioneller Journalismus für verschiedene große Verlage. Später dann die Ausbildung zur Tierheilpraktikerin an der ATM und die Tierpsychologie-Ausbildung an der ATN. Empathie, Achtung und Verständnis auf Augenhöhe im Umgang mit Tieren sind Patricia Lösche ein besonderes Anliegen. Seit 2014 schreibt sie für ATM und ATN Blogbeiträge, ist Autorin von Skripten und betreut als Tutorin die Studierende unterschiedlicher Fachbereiche.

In die Wissensvermittlung fließen mehrjährige Praxis-Erfahrungen aus der naturheilkundlichen Behandlung von Pferden, Hunden und Katzen ebenso ein, wie die jahrzehntelange Erfahrung eigener Tierhaltung. Sie ist Mitglied im Fachverband niedergelassener Tierheilpraktiker (FNT) und 1.Vorsitzende im Berufsverband der Tierverhaltensberater und –trainer (VdTT).

Quellen

Robert Koch Institut. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/Z/Zecken/Zecken.html
https://www.idexx.de/files/vector-borne-disease-brochure-de-de.pdf
www.zeckenliga.ch
Ángel Sainz et al.: Guideline for veterinary practitioners on canine ehrlichiosis and anaplasmosis in Europe (Parasites & Vectors 8/2015)
Ana Marisa Chudzinski-Tavassi et al.: Modulation of stress and immune response by Amblyomin-X results in tumor cell death in a horse melanoma model (Scientific Reports 10(1); April 2020)

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