Die Hirschlausfliege: Gemein und gefährlich, ein neuer Parasit auf Eroberungsfeldzug gegen Haustiere, vor allem gegen Pferd, Rind, Hund. So wird sie in den Medien dargestellt. Nicht ganz zu Unrecht. Zwar ist diese Lausfliegenart schon lange bekannt, aber ebenso wie bestimmte Zeckenarten erschließt sich die Hirschlausfliege derzeit neue Verbreitungsgebiete, auch wenn von einer Invasion noch nicht die Rede sein kann. Aber ihre Attacken häufen sich. Attacken? Ja, tatsächlich. Dazu später mehr.
Wie passen Klimaerwärmung und Hirschlausfliege zusammen? Die Larven der Hirschlausfliege sind kälteempfindlich. In frostig-kalten Wintern sterben die im Boden überwinternden Larven ab und können sich nicht zu Imagines, dem parasitären Stadium der Hirschlausfliegen entwickeln. Im folgenden Herbst wird man ihnen deshalb nur selten begegnen. Und auch im darauffolgenden Jahr wird es mangels Nachwuchs wenig Hirschlausfliegen geben. In den milden Wintern der letzten Jahre haben jedoch viele Larven überlebt, konnten zu geschlechtsreifen Tieren heranwachsen und sich fortpflanzen. Die Folge: ihre Häufigkeit nimmt zu, solange, bis ein strenger Winter wieder zum Absterben der Larven führt. Meldepflichtig ist ihr Vorkommen nicht und es gibt auch keine offizielle Datenerfassung zu ihrer Verbreitung.
Vorkommen und Entwicklung der Hirschlausfliege
Lebensraum der Hirschlausfliege (Lipoptena cervi) sind Wälder und Waldrandgebiete, vorzugsweise mit Kiefern- und Eichenbestand. Sie gehören zu den Lausfliegen, einer eigenständigen Familie Blut saugender Fliegen . Bis zu sechs Millimeter wird das braune Insekt lang, hat einen gedrungenen Körper und kräftige Beine, die am Ende Krallen tragen, mit denen sich die Fliegen am Wirt festhalten . Hauptwirte der Hirschlausfliege sind Elche, Rot-, Reh- und Damwild. Aber allzu wählerisch ist sie nicht und befällt– wenn auch seltener – bei Abwesenheit der Hauptwirte auch Dachs, Fuchs und Wildschwein , den Menschen ebenso wie seine Haustiere, vor allem Hunde, Rinder, Pferde.
Nach Erreichen des Wirtes werfen die Weibchen sehr schnell ihre Flügel ab und kriechen dann ziemlich flink durch Haare oder Fell, um sich an einer geeigneten Stelle festzuhaken und zu stechen. Von da an leben sie als flugunfähige Parasiten auf dessen Haut und ernähren sich durch wiederholtes Stechen von dessem Blut. Etwa 20 Milligramm davon werden bei jedem Stich aufgenommen und lassen den Hinterkörper wie bei einer Zecke erheblich anschwellen. Die einzige Ähnlichkeit mit Zecken, mit denen sie oft verwechselt werden, denn während Zecken zu den Spinnentieren gehören – erkennbar an ihren acht Beinen – gehören Lausfliegen zu den Fliegen und haben sechs Beine.
Steckbrief der Hirschlausfliege
Körper | Abgeplattet, breit, elastisch. |
Flügel | bräunlich, transparent, deutlich länger als der Hinterleib, werden auf dem Wirt abgeworfen. |
Fühler | nur rudimentär ausgebildet. |
Beine | sechs kräftige Beine mit gezähnten Krallen am Ende. |
Laufrichtung | auf dem Wirt vorwärts und seitlich eng an den Wirt gepresst. |
Lebenszyklus | Entwicklung der Larven im mütterlichen Uterus, nach Lebendgeburt Verpuppung und Weiterentwicklung im Boden bis zum Schlupf bei geeigneten Wetterbedingungen. |
Video: Die Hirschlausfliege in Bewegung
Hirschlausfliegen greifen an
In sogenannten Hitzesommern, wenn der Hochsommer bereits im April beginnt, werden Hirschlausfliegen auch schon im Mai gesichtet. Aber das ist – bislang – eine Ausnahme. Ihre eigentliche Schwärmzeit liegt zwischen September und November. Dann, wenn die Nächte bereits kühl, aber frostfrei sind, die Tage noch spätsommerliche oder frühherbstliche Wärme bringen, verlassen die fertig entwickelten Hirschlausfliegen den Boden und suchen sich, oft in kleineren Schwärmen, passende Wirte. Als Ektoparasit befällt die Hirschlausfliege am liebsten wilde Wiederkäuer wie Rehe oder Hirsche; Mensch, Pferd und Hund sind eigentlich Fehlwirte.
Wer als Spaziergänger mit oder ohne Hund, als Reiter zu Pferd im Spätsommer oder Frühherbst in Waldgebieten unterwegs ist, kann von ausschwärmenden Hirschlausfliegen regelrecht verfolgt und überfallen werden. Insofern ist der Begriff „Attacke“ im Zusammenhang mit Hirschlausfliegen durchaus berechtigt. Zwar sind sie schlechte Flieger und die Verfolgung dauert nicht lange, wenn man schnell genug ist. Aber sie kommt so unerwartet, dass es manche von ihnen schaffen, auf Mensch und Tier zu landen. Sind die Flügel erst abgeworfen, sind sie nur noch schwer zu fassen.
Der Stich der Hirschlausfliege ist schmerzhaft
Das Kribbeln und Krabbeln der flinken Insekten auf der Haut irritiert Mensch und Tier und für Tiere ist der Stich einer Hirschlausfliege schmerzhaft. Vor allem Pferde und Hunde reagieren oft verschreckt, blicken suchend um sich und zeigen manchmal heftige, fast panische Reaktionen. Hunde werden unruhig und nervös, kratzen und beißen sich an der Einstichstelle. Auf den Schmerz kann starker Juckreiz folgen, Quaddelbildungen, Schwellungen und Entzündungen sind möglich.
Hirschlaus-Dermatitis
Als Auslöser der entzündlichen Hirschlaus-Dermatitis beim Menschen wird Bartonella schoenbuchensis angenommen, ein Bakterium, das 2001 erstmals im Schönbuch bei Stuttgart entdeckt wurde. Die Hirschlausfliege gilt als ein Vektor, Rotwild und Rinder als Reservoir. Bei ihnen infiziert sich die Hirschlausfliege über das Blut mit B. schoenbuchensis. Die Zentrale Kommission für biologische Sicherheit (ZKBS) klassifiziert B. schoenbuchensis als zoonotischen Erreger. So werden Erreger bezeichnet, die durch Tiere auf den Menschen, aber auch vom Menschen auf Tiere übertragen werden können. Allerdings mit geringem pathogenem, d.h. krank machendem Potenzial. Die hartnäckige Hirschlaus-Dermatose geht einher mit Hautrötungen, Papeln und Juckreiz.
Für den Menschen ist der meist im Nacken oder am Kopf erfolgende Stich von Lipoptena cervi weitgehend schmerzfrei und so gut wie unsichtbar. An der Stichstelle kann sich aber innerhalb von drei Tagen eine stark juckende Papel bilden. Der Juckreiz verschwindet nach etwa drei Wochen, die Rückbildung der Papel kann dagegen bis zu einem Jahr dauern. Papel wie Juckreiz sind wahrscheinlich die Folge einer allergischen Reaktion auf den Stich. Hinzu kommt eine von der Stichstelle ausgehende starke Entzündung, die erhebliche dermatologische Probleme verursachen kann.
Pferde werden vor allem an Mähne und Schweifansatz befallen, Hunde hauptsächlich im Nacken, an Rücken, Oberschenkel und Rutenansatz, aber auch Bauch, Innenseite der Oberschenkel und der Analbereich können befallen werden.
Hirschlausfliegen – nur schwer abzuwehren
Gegen Flöhe und Zecken gibt es nachweislich wirksame vorbeugende Maßnahmen. Studien, die eine wirkungsvolle Prophylaxe gegen Hirschlausfliegen bestätigen, konnten dagegen keine gefunden werden. Im Handel werden unterschiedliche Rezepturen als möglicherweise wirksame Repellents angeboten. Verwendet werden dafür vor allem ätherische Öle wie Geraniol, Rosmarin-, Nelken- und Lavendelöl, das Öl der Katzenminze oder Citronella. Für den Hund wird die Möglichkeit einer Verwendung von Kieselgur beschrieben, ein Pulver, das hauptsächlich aus den Schalen fossiler Kieselalgen (Diatomeen) besteht und zum größten Teil aus Siliciumdioxid besteht. Nach Aussage einiger Tierärzte helfen repellierende, in jeder Praxis erhältliche Antiparasitenmittel. Aber für keine dieser Rezepturen und Maßnahmen ist die Wirksamkeit nachgewiesen.
In Ermangelung einer zuverlässig wirksamen Abwehr kommt der Nachsorge große Bedeutung zu. Beim Hund empfiehlt es sich, im Verdachtsfall während des Spaziergangs immer mal wieder kurz das Fell zu prüfen. Dann besteht die Chance, Hirschlausfliegen bereits vor dem Stich zu entdecken, noch mit Flügeln. Dadurch sind sie langsamer und lassen sich leichter entfernen. Natürlich ist dies bei besonders dichtem Fell schwierig.
Ohne Flügel sind sie sehr flink und lassen sich oft nur noch schwer mit den Fingern fassen. Einfacher ist es jetzt, sie mit einem Floh- oder Läusekamm auszukämmen. Nach dem Spaziergang sollte das Fell bei Verdacht auf einen Hirschlausbefall sorgfältig abgesucht, gegebenenfalls ausgekämmt oder durch Abspritzen, Duschen oder Baden ausgewaschen, Einstichstellen danach sicherheitshalber desinfiziert werden.
Tipp: Nicht lange versuchen, sie mit den Fingern einzufangen, sondern mit einem breiten Klebeband fixieren und entfernen.
Um Hautverletzungen und Sekundär-Infektionen wie Hotspots durch intensives Kratzen und Lecken am Insektenstich zu verhindern, sollte der Juckreiz durch geeignete Mittel gelindert werden. Zeigen sich beim Hund an den weniger behaarten Stellen – Innenschenkel oder Bauchbereich - großflächige Hautreizungen, kann eine Auflage mit Heilerde helfen. Salben und Cremes kommen für den Hund weniger infrage, weil sie abgeleckt werden. Hauterkrankungen sollten vor Behandlung unbedingt mit dem Tierarzt oder Therapeuten abgeklärt und dann fachgerecht therapiert werden.
Die anspruchsvolle Ausbildung zum Tierheilpraktiker an der ATM ist ausgerichtet auf eine ganzheitliche Behandlung von Tieren. Dafür lehren wir veterinärmedizinisches Wissen auf hohem Niveau und die Anwendung von mehr als 30 alternativen Therapieformen. Die umfassenden Ausbildungen zu Tierphysiotherapeuten, Tierosteopathen und Chiropraktikern für Tiere bieten weitere Behandlungskonzepte.
Dermatitis bei Tieren kann neben schulmedizinischer Intervention auch naturheilkundlich therapiert werden und sollte sowohl von Tierheilpraktikern als auch Tierphysiotherapeuten entsprechend erkannt werden. Der Stich der Hirschlausfliege verursacht oft Entzündungen, die mit Hautreizungen und starkem Juckreiz einhergehen. Da die Hirschlausfliege zu panischen Reaktionen bei Tieren führen kann und der Stich sehr schmerzhaft ist, haben wir dem Thema diesen Artikel gewidmet, der alle wichtigen Fragen beantwortet:
- Wann ist die Hirschlausfliege besonders aktiv?
- Ist der Stich der Hirschlausfliege schmerzhaft?
- Was ist eine Hirschlaus-Dermatitis?
- Wie kann man Hirschlausfliegen abwehren?
- Wie sind die Entwicklungsstadien der Hirschlausfliege?
- Wo kommt die Hirschlausfliege vor?
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Patricia Lösche
Patricia Lösche ist freie Autorin, Text- und Bild-Journalistin. Der Dolmetscher-Ausbildung folgten Biologie- und Journalistik-Studium, freier und redaktioneller Journalismus für verschiedene große Verlage. Später dann die Ausbildung zur Tierheilpraktikerin an der ATM und die Tierpsychologie-Ausbildung an der ATN. Empathie, Achtung und Verständnis auf Augenhöhe im Umgang mit Tieren sind Patricia Lösche ein besonderes Anliegen. Seit 2014 schreibt sie für ATM und ATN Blogbeiträge, ist Autorin von Skripten und betreut als Tutorin die Studierende unterschiedlicher Fachbereiche.
In die Wissensvermittlung fließen mehrjährige Praxis-Erfahrungen aus der naturheilkundlichen Behandlung von Pferden, Hunden und Katzen ebenso ein, wie die jahrzehntelange Erfahrung eigener Tierhaltung. Sie ist Mitglied im Fachverband niedergelassener Tierheilpraktiker (FNT) und 1.Vorsitzende im Berufsverband der Tierverhaltensberater und –trainer (VdTT).
Quellen
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