Hufrehe beim Pferd – so kann gutes Weidemanagement das Risiko senken

Hufrehe beim Pferd – aheflin – stock.adobe.com

Immer mehr Pferde werden in den letzten Jahren mit Erkrankungen, die den Stoffwechsel betreffen, vorgestellt. Eine verhängnisvolle Kettenreaktion löst die Stoffwechselerkrankungen Equines Metabolisches Syndrom und Equines Cushing Syndrom aus. Häufigstes Symptom der Stoffwechselentgleisungen ist dabei eine Laminitis des Pferdehufs, die gefürchtete Hufrehe. Heike Bussang ist leitende Tierärztin des Hufrehe-Rehazentrums in Gemünden-Ellnrode. Mit ihrer langjährigen Erfahrung in der Behandlung erkrankter Pferde erklärt sie für uns den Zusammenhang zwischen Futterauswahl und der Entstehung der Hufrehe.

Wie entsteht die Hufrehe (Laminitis) beim Pferd?

Die Laminitis ist ein entzündlicher Vorgang am Hufbeinträger des Pferdes, bei dem ein entzündliches Ödem ein Aufquellen der Lamellenschicht verursacht. Gleichzeitig kommt es auch zu Durchblutungsstörungen mit der Folge von Mikro-Thrombenbildung in den Blutgefäßwänden.

Das Aufquellen und die Durchblutungsstörung des Hufbeinträgers hat zur Folge, dass die feste Verbindung zwischen Hornkapsel und Hufbein getrennt wird. Anschließend kommt es zur Rotation der Hornkapsel, sowie zum Absinken des Hufbeinknochens in der Hornkapsel. Die Hornkapsel schiebt sich nach oben weg und im Worst-Case-Szenario kann der Hufbeinknochen durch die Sohle nach außen hervortreten.

Schwer an Hufrehe erkrankter Patient mit Hufbeindurchbruch. (© Heike Bussang)

Weidesaison und Heuernte stehen in direktem Zusammenhang mit Stoffwechselentgleisungen beim Pferd.
In Deutschland wird immer mehr Hochleistungsgras bei der Neueinsaat von Weideflächen verwendet. Das Hochleistungsgras „Deutsches Weidelgras“ hat in der Landwirtschaft den Vorteil, mehrmals im Jahr eine hochenergiereiche Ernte zu ermöglichen. Von derselben Fläche können in guten Vegetationsjahren teilweise fünf Schnitte geerntet werden. Dieses Gras wird für Hochleistungskühe zur Milchgewinnung produziert. Die Inhaltsstoffe Gesamteiweiß, Gesamtzucker und Fruktan bleiben durch geringes Längenwachstum der Grassorte und damit gekoppeltem niedrigem Rohfaserwert in der Futterration erhalten. Der Vorteil ist eine daraus resultierende hohe Milchleistung der Kuh.

Kleinere landwirtschaftliche Betriebe können in den letzten Jahren in der Milchindustrie jedoch nicht mehr mithalten und stellen ihre Betriebe vermehrt auf Pferdehaltung um. Die Pferde werden dann mit dem vorhandenen Hochleistungsgras in Form von Weide oder Heu gefüttert.

Die Gattung Pferd ist allerdings eher ein Steppentier. Sie benötigt vor allem rohfaserreiches und energiearmes Grundfutter zur Gesunderhaltung ihrer Art. Der Energieüberfluss durch das Hochleistungsgras führt langfristig zu schweren Erkrankungen beim Pferd.

Vorne für Pferde geeignete Grassorten, hinten ungeeignete energiereiche grüne Wiesen. (© Heike Bussang)

Was sollten Pferdehalter deshalb bei der Gras- oder Heufütterung beachten?

Eine energiearme, rohfaserreiche Grundfutterernährung ist für die Gattung Pferd lebenswichtig. Pferdehalter sollten also darauf achten, dass ihre Weide und die Grünflächen, auf denen das Heu geerntet wird, geeignete Grassorten enthält.

Für die Pferdefütterung sehr gut geeignet sind Gräser, die ein hohes Längenwachstum und damit einen hohen Rohfasergehalt haben. Am besten zu verwenden sind dabei Liesch- und Knaulgras.

Das Lieschgras erreicht bei guter Stickstoffdüngung und Beregnung eine Gesamtlänge von 1,40 m. Deutsches Weidelgras dagegen soll maximal eine Gesamtlänge von 30-60 cm erreichen.

Während der Wachstumsperiode von April bis Mitte Juni verbraucht das Lieschgras seine Energie in Form von Gesamtzucker und Fruktan komplett in der Rohfaserlängenproduktion.

Geeignete Grasweidefläche im August mit Liesch- und Knaulgras. (© Heike Bussang)

In Junischnitten von Lieschgrasflächen können dadurch Inhaltswerte von weniger als 3% Fruktan, weniger als 5% Gesamtzucker und mehr als 33% Rohfaser ermittelt werden, was für das Steppentier Pferd optimal ist. Die Heuanalysen aus 2020 haben im Durchschnitt mehr als 6% Fruktan, mehr als 10% Gesamtzucker und weniger als 28% Rohfaser ergeben. Dieser zu hohe Energiegehalt und zu geringe Rohfasergehalt führte auch im letzten Winter zur vermehrten Vorstellung von schwerst erkrankten Hufrehe-Patienten auf unserer Intensivstation.

Meine Empfehlung für Pferdehalter ist es daher, achtsam bei der Grundfutterauswahl zu sein und erst ab Mitte Juni fruktanarme Einsaaten als Weideflächen zu nutzen.

Dozenten und Autoren ATM - Autorin Heike Bussang

Heike Bussang

Heike Bussang erlangte 2003 ihre Approbation als Veterinärmedizinerin an der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Nach einigen Jahren als angestellte Tierärztin für Pferde eröffnete sie 2007 eine eigene Pferde-Praxis am Hof Steinacker im hessischen Gemünden. Ihre therapeutischen Schwerpunkte liegen in der Inneren Medizin, der Zahnmedizin, der Orthopädie sowie dem Hufbeschlag und der Rehabilitation. Neben einem AG.ZE Pferdekotlabor verfügt ihre Praxis über eine Intensivstation für Hufrehepatienten und einen Aktivstall für Pferde mit Handicap.

Heike Bussang verfasst Fachartikel in diversen Pferdezeitschriften wie Dressurstudien, Reiter Revue oder Cavallo und veröffentlichte ihr Buch „Wohlstandskrankheiten für Pferde“ im Müller Rüschlikon Verlag.

Als Fachdozentin für Tiermedizin lehrt sie sowohl in ihrer eigenen Praxis und seit 2020 auch bei der ATM, wobei ihr die artgerechte Haltung des Pferdes als Grundstein für Gesundheit und Wohlergehen besonders am Herzen liegen.

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