Haben wir lauter „schiefe Pferde“? Was verbirgt sich eigentlich hinter der Schiefe beim Pferd? Oder hinter dessen Händigkeit? Beide Begriffe sind zwei Seiten einer Medaille, aber nicht identisch. Im Ergebnis führen sie dazu, dass die meisten Pferde nicht auf beiden Seiten gleichermaßen rittig sind. Sie sind auf einer Seite “stark”, auf der anderen “schwach”. Auch Begriffe wie “hohle Seite” oder “steife Seite” werden dafür verwendet. Dem Geraderichten des Pferdes kommt deswegen beim Reiten eine besondere Bedeutung zu. Dr.med.vet.habil Jenny Hagen ist Fachtierärztin für Anatomie, Histologie und Embryologie, staatlich geprüfte Hufbeschlagschmiedin sowie Spezialistin für Tierchiropraktik. In unserem Expertenartikel erklärt sie Zusammenhänge und Unterschiede zwischen Schiefe und Händigkeit.
Der Lateralität (Händigkeit) und Schiefe beim Pferd wird zunehmend Aufmerksamkeit bei der Ausbildung, dem Training oder der orthopädischen bzw. manualtherapeutischen Behandlung geschenkt. Reitern wie Trainern ist vielfach bewusst, dass Pferde eine „starke“ und eine „schwache“ Seite bzw. Körperhälfte haben. Oft wird in diesem Zusammenhang von der „hohlen Seite“ und der „Zwangseite“ gesprochen.
Schon in der Vergangenheit belegten wissenschaftliche Studien, dass sich Pferde beim Longieren und beim Reiten leichter auf einer Hand biegen und arbeiten lassen, während sie auf der anderen Seite eine stärkere Gegenwehr in der Biegung oder weniger Flexibilität zeigen [1]. Auch bei der manualtherapeutischen oder orthopädischen Behandlung fallen strukturelle oder funktionelle Asymmetrien im Bewegungsapparat auf. Oft wird in dem beschriebenen Kontext das symmetrische Training zur Stärkung der „schwachen“, „steiferen“ Seite empfohlen. Dabei sollte jedoch der Händigkeit des Pferdes eine detaillierte Betrachtung zuteilwerden.
Unterschied zwischen Lateralität und Schiefe beim Pferd
Es gilt zwischen drei Begriffen zu differenzieren. Korrekterweise wird unterschieden zwischen
- natürlicher Schiefe
- motorischer Lateralität
- sensorischer Lateralität
Drei Begriffe, die im Folgenden geklärt werden:
Natürliche Schiefe | Unter der natürlichen Schiefe wird die asymmetrische Entwicklung der Knochen, Gelenke, Sehnen, Bänder und Muskeln beider Körperhälften verstanden. Dies erfolgt besonders ausgeprägt während der Reifung des Bewegungsapparates im Jungtieralter, aber auch im Erwachsenenalter als Anpassung an mechanische Stimuli, die auf den Körper einwirken. |
Motorische Lateralität | Die motorische Lateralität beschreibt die bevorzugte Verwendung der Gliedmaßen einer Körperhälfte zur Fortbewegung bzw. zur Lastaufnahme. Dieser Begriff ist am ehesten mit der Händigkeit beim Menschen zu vergleichen. |
Sensorische Lateralität | Im Gegensatz dazu beschreibt die sensorische Lateralität die ungleiche Verwendung der rechten und linken Sinnesorgane wie Augen, Ohren und Nüstern zur Erkundung unbekannter Objekte. |
Grundsätzlich sind alle drei Begriffe als eigenständige Faktoren zu betrachten. Es ist jedoch eine gegenseitige Beeinflussung nicht von der Hand zu weisen. Es besteht zwar kaum ein Zusammenhang zwischen der motorischen und sensorischen Lateralität, allerdings ist davon auszugehen, dass die Lateralität eines Individuums die Entwicklung der natürlichen Schiefe beeinflusst. Denn wie beim Menschen sind die motorische und sensorische Lateralität zu großen Teilen angeboren.
Die natürliche Schiefe
Bei der Betrachtung der natürlichen Schiefe sind die strukturelle und die funktionelle Schiefe zu unterscheiden. Die strukturelle Schiefe manifestiert sich in der asymmetrischen Entwicklung der Strukturen des passiven Bewegungsapparates. Die funktionelle Schiefe schlägt sich in der asymmetrischen Entwicklung neuromuskulärer Verschaltungen, des Nervensystems und der Muskulatur nieder [1,2].
Die strukturelle Schiefe beim Pferd
Die strukturelle Schiefe kann angeboren sein und sich während der Reifung des Jungtieres manifestieren. So beschrieben einige Autoren eine Asymmetrie des Brustkorbes [3]. Bei der Mehrheit der Pferde war der linke Brustkorb stärker entwickelt als der Rechte. Auch strukturelle Asymmetrien im Becken wurden wissenschaftlich belegt, wobei in 30 von 39 Fällen der linke Sakralhöcker (Tuber sakrale) tiefer war als der rechte Tuber sakrale [4].
Eine andere Arbeitsgruppe zeigte Differenzen in der Länge des rechten und linken Oberarm- und Oberschenkelknochens bei Pferden [5]. Diese Ergebnisse wurden bestätigt und erweitert durch die Studie von Leśniak et al. 2013 [6,7]. Die Arbeit dieser Gruppe ergab, dass 73% der Pferde ein längeres rechtes Röhrbein und ein breiteres linkes Röhrbein an den Vordergliedmaßen hatten. An den Hintergliedmaßen waren die Röhrbeine zu 65% länger auf der rechten Seite und zu 51% breiter auf der linken Seite. Zu 55% waren an den Vordergliedmaßen die linken Fesselbeine breiter und die rechten Karpalgelenke größer. Dafür waren die Sprunggelenke auf der rechten Seite größer.
Wilson et al. 2009 stellten beachtliche bilaterale Unterschiede in der Größe und Form der Vorderhufe fest. Dies ist oft verbunden mit ungleich gestalteten Hufbeinen, die die Grundlage für die Gestalt der Hufe darstellen [8]. Auch die Gelenkflächen der Zehengelenke sowie anderer Sattel- oder Scharniergelenke zeigen leichte, aber offensichtliche Asymmetrien der Gelenkflächen innerhalb eines Gelenkes (Abbildung 1).
Es lässt sich also zusammenfassen, dass angeborene oder erworbene skelettale Asymmetrien bei (fast) jedem Pferd bestehen. Assoziierte Weichteilgewebe, wie Sehen, Bänder und Knorpel, passen sich entsprechend an.
Ursachen der strukturellen Schiefe beim Pferd
Ursachen für die Entstehung struktureller Asymmetrien, die zur Schiefe beim Pferd führen, können genetisch bedingt, also angeboren sein. Zudem haben ungleichmäßige Belastungen der Körperhälften im Jungtieralter aufgrund von ausgeprägter Händigkeit, Gliedmaßenfehlstellungen, einseitige Immobilisierung, Entzündung der Epiphysenfugen, Schmerzen oder Schonhaltung enormen Einfluss auf die Entwicklung der natürlichen Schiefe [9,10].
Im ersten Lebensjahr ist das Knochengewebe besonders aktiv und passt sich mechanischem Stimulus an. Während dieses ersten Lebensjahres wird die Knochensubstanz zu 100% ausgetauscht. Im Erwachsenenalter erfolgt dies immerhin noch zu 10 %, so dass lebenslang langfristig asymmetrische Belastungen die strukturelle Symmetrie des Körpers formen [11].
Die funktionelle Schiefe beim Pferd
Oft wirken strukturelle und funktionelle Asymmetrie zusammen und beeinflussen sich gegenseitig. Wie beim Menschen auch, ist die funktionelle Asymmetrie der beiden Gehirnhälften eines der Hauptmerkmale der neurologischen Organisation, der Bewegung und des Denkens [1]. Die asymmetrische Aufgabenteilung im zentralen Nervensystem determiniert die Lateralität bzw. Händigkeit und führt damit zu einer funktionellen Schiefe. Muskelgruppen werden bilateral, je nach Funktion, unterschiedlich angesteuert, so dass sie sich asymmetrisch entwickeln. Auch beim Menschen ist oft zu beobachten, dass es eine mobilere Seite (oft die rechte Hand) und eine stabilisierende Seite (z.B. die linke Hand) gibt.
Einseitiges Training, asymmetrische Reiter, einseitige Haltungssysteme, mangelnde motorische oder sensorische Reize sowie unpassendes Equipment können zur bilateral unterschiedlichen Hyer- oder Hypotrophie einzelner Muskelgruppen führen, woraus ebenfalls eine funktionelle Schiefe resultiert [12,13]. Basierend auf der Neuroplastizität des Nervensystems werden Schiefen bzw. Asymmetrien im Bewegungsablauf und der Belastung nachhaltig im Körper manifestiert.
Die Lateralität (Händigkeit) beim Pferd
Wie bereits angedeutet wird die Entwicklung und Manifestation der natürlichen, strukturellen wie funktionellen Schiefe beim Pferd durch die motorische und sensorische Lateralität beeinflusst. Im Allgemeinen neigen Trainer, Reiter und Therapeuten oft dazu, die Lateralität bzw. Händigkeit eines Pferdes als eher negativ zu bewerten. Allerdings stellt die Lateralität einen evolutionären Vorteil dar, da sie die Grundlage für die Fähigkeit des „Multitasking“ ist.
Der Ursprung der Händigkeit liegt in der Aufgabenteilung beider Gehirnhälften [1]. Zwei Gehirnhälften, die unterschiedliche Aufgaben bewältigen, sind im Kampf ums Überleben einfach effektiver. Dabei ist die rechte Gehirnhälfte für das Erfassen und Verarbeiten neuer Informationen und Situationen zuständig (Kurzzeitgedächtnis). Die linke Gehirnhälfte speichert hingegen bekannte Informationen und Situationen ab (Langzeitgedächtnis) und ermöglicht so der rechten Gehirnhälfte freie Kapazitäten, um auf neue Umweltreize zu reagieren.Stärke und Richtung der Lateralität werden durch Umwelteinflüsse während der Entwicklung des Embryos und während der Reifung des Jungtieres bestimmt. So kommt es zur individuellen Manifestation der motorischen und sensorischen Lateralität
Bestimmung der Lateralität
Die Lateralität eines Pferdes kann durch den so genannten Lateralitätsindex bestimmt werden. Dabei werden die Weideschrittpräferenz und die Startbeinpräferenz als Indikatoren für die motorische Lateralität ermittelt. So wird an drei unterschiedlichen Tagen alle 30 Sekunden über 10 Minuten das nach vorne gestellte Bein beim Weideschritt erfasst und dokumentiert (Abbildung 2).
Zudem wird an drei Tagen die Startbeinpräferenz 5x hintereinander getestet und aufgeschrieben. Die bevorzugte Nutzung der Sinnesorgane einer Gesichtshälfte zur Erkundung neuer Objekte wird als Indikator für die sensorische Lateralität erhoben. Ebenfalls an drei Tagen wird die sensorische Lateralität bei der Vorstellung fünf verschiedener, neuer Objekte dokumentiert. Aus diesen drei Tests ergibt sich im Mittel der Lateralitätsindex:
- -1 -> 0,5 (stark linksseitige Lateralität),
- < -0,5 schwache linksseitige Lateralität
- 0 (bilateral ausgewogen
- < 0,5 schwache rechtsseitige Lateralität
- 0,5-1 starke rechtsseitige Lateralität
Bezüglich der motorischen Lateralität wurde an großen Wildpferdepopulationen, die nicht dem Einfluss des menschlichen Handlings unterlagen, gezeigt, dass der Anteil der Pferde mit links- und rechtseitiger Händigkeit ausgewogen ist. Die Präferenzen für die motorische Nutzung der linken oder rechten Körperhälfte erfolgt auf individueller Ebene. Lediglich in wenigen Studien werden rassespezifische Unterschiede beschrieben. So wurde gezeigt, dass Vollblüter eine Präferenz zur Linkshändigkeit haben [12].
Generell ist bei solchen Studien immer der Einfluss des Menschen zu beachten. In den meisten Fällen erfolgt das Handling des Pferdes von links, was eventuell auch Einfluss auf die Entwicklung einer linksseitigen Händigkeit hat. Sicher ist hingegen, dass die individuelle, motorische Lateralität des Pferdes mit dem Alter zunimmt.
Händigkeit und Persönlichkeit
Weitere Studien zeigten zudem einen gewissen Zusammenhang zwischen der motorischen Händigkeit und der Persönlichkeit bzw. den vorherrschenden Emotionen des jeweiligen Pferdes. Denn auch die positiven bzw. negativen Emotionen unterliegen der Lateralisierung der Gehirnhälften. In wissenschaftlichen Studien wurde gezeigt, dass Pferde mit einer rechte Startbeinpräferenz (rechte motorische Lateralität) eher Optimisten sind, wohingegen Pferde mit linker Startbeinpräferenz (linke motorische Lateralität) Pessimisten zu sein scheinen. Bei Stress wurde eine Zunahme der linksseitigen, sensorischen und motorischen Lateralität nachgewiesen [14]. Allerdings gilt, wie bei allen wissenschaftlichen Studien: Ausnahmen bestätigen die Regel!
Motorische Lateralität bei Fohlen und Jungpferden
Generell zeigt sich die motorische Lateralität schon bei Fohlen. Van Heel et al. untersuchten 24 Fohlen im Alter von 3, 15, 27 und 55 Wochen [9]. Dabei entwickelten 50% der Fohlen eine Weideschrittpräferenz, was zur Manifestation einer natürlichen Schiefe im Bewegungsapparat führte. Die ungleichmäßige Belastung hatte die Entwicklung ungleichmäßiger Hufe zur Folge. Dabei waren insbesondere Fohlen mit langen Beinen und kurzen Hälsen bzw. Köpfen anfälliger für diese Entwicklung. Dieser Fakt sollte Beachtung in der Wahl des genetischen Materials für die Zucht finden.
Auch im Jungpferdealter zeigte sich eine individuelle motorische Lateralität. An 17 gesunde, aber untrainierten Warmblutpferden wurde die motorische Lateralität im freien Trab und Freispringen getestet [9]. Eine signifikante Lateralität war bei 24% der 3-jährigen Pferde sichtbar. Auch das Auftreten von rechts-links Unterschieden in der Schrittdauer, Schrittlänge, der diagonalen Gliedmaßenführung, der Dauer der Stützbeinphase und der Länge des Übertretens, der Vor- und Rückführlänge in der Hangbeinphase und der bilateralen Belastung der Gliedmaßen bei gesunden, erwachsenen Pferden wurde nachgewiesen [12,15–17].
Einseitiges Training verstärkt die Schiefe beim Pferd
Einseitiges Training verstärkt die individuelle Tendenz. So untersuchte eine Studie an 30 Pferden, die in den letzten 8 Jahren intensiv für den Spring- und Dressursport genutzt wurden, die Händigkeit beim Longieren und unter dem Sattel [1]. Dabei zeigten 23 Pferde eine starke und stabile Seitenpräferenz. Die Pferde wurden einem speziellen Training zum Ausgleich der funktionellen Schiefe unterzogen, was zu einer signifikanten Abnahme der individuellen Händigkeit führte.
Diese Arbeit zeigt, dass Händigkeit durch angepasstes Training reduziert werden kann, was vermutlich auf der Änderung des Muskelstatus und neuromuskulärer Verknüpfungen basiert. Dies zeigt sich auch in der Wirkung der manuellen Therapie [18–20]. In einer Studie wurde vor der Behandlung eine reduzierte Fähigkeit zur Seitwärtsbiegung und Rotation im Brustwirbelbereich festgestellt. Nach der ersten Behandlung stellte sich eine deutliche Verbesserung der Beweglichkeit und Symmetrie ein und auch nach 8 Monaten waren diese Parameter noch besser als vor der Behandlung. Eigene Messungen zeigen, dass sich die Symmetrie der zeitlichen Parameter der einzelnen Schrittphasen durch manuelle Therapie deutlicher verbessern lässt, als durch den Hufbeschlag alleine.
Sensorische Lateralität
Die Optimierung bzw. Änderung der physiologischen, individuellen Lateralität erfolgt nicht durch passive Manipulation des Bewegungsapparates (Ausbinder, Schlaufzügel und Co. oder Gewichte an den Gliedmaßen), sondern durch Änderung der Sensorik, der neuronalen Aktivität und Verarbeitung sowie symmetrischen Trainings der Muskulatur.
Von der motorischen Lateralität ist die sensorische Lateralität abzugrenzen. In Studien wurde gezeigt, dass 48 von 55 Pferden eine sensorische Linkspräferenz zeigten. Bei 5 Pferden wurde eine Rechtspräferenz festgestellt, 1 Pferd zeigte keine Präferenz und 1 Pferd wechselte seine Präferenz [21]. Auch hier ist wieder der Einfluss des menschlichen Handlings von der linken Seite in Betracht zu ziehen.
Eine genetische Determination ist jedoch nicht von der Hand zu weisen und könnte eine wissenschaftliche Erklärung darstellen, warum sich Pferde beim Longieren auf der linken Hand oft williger als auf der rechten Hand zeigen oder sich fremden Menschen bevorzugt mit der linken Seite nähern [22]. In Bezug auf die soziale Interaktion mit Artgenossen wurde gezeigt, dass agonistische Auseinandersetzungen mit Artgenossen zu 68% linksseitig und affiliative Verhaltensweisen zu 90% über rechtsseitige Sinnesorgane erfolgen [21].
Insbesondere die Nutzung der Augen einer Gesichtshälfte unterliegen einer sensorischen Lateralität, was darin begründet ist, dass bei der visuellen Informationsübertragung beim Pferd 80% der Informationen zwischen den Gehirnhälften kreuzen [21]. Es gilt, dass die linken Gliedmaßen, Augen und Ohren primär mit der rechten Gehirnhälfte in Verbindung stehen. Im Gegensatz dazu stehen die rechten Gliedmaßen, Augen und Ohren primär mit der linken Gehirnhälfte in Verbindung.
Die motorische und sensorische Lateralität gibt einen Hinweis darauf, ob das Pferd dazu tendiert Informationen in der rechten oder linken Gehirnhälfte zu verarbeiten. Dabei ist die rechte Gehirnhälfte eher die reaktive Seite und dient reaktiven Verhaltensweisen, wie Flucht, globale Aufmerksamkeit, Rückzug, Kontrolle neuer Situationen, Stressverarbeitung. Die linke Gehirnhälfte ist die proaktive Seite und dient proaktiven Verhaltensweisen, wie Annäherung, Kontrolle von Routinesituationen, fokussierte Aufmerksamkeit und Lernen. Die sensorische Lateralität weist also nur auf die Spezialisierung der Gehirnhälften für die Wahrnehmung hin.
Demnach werden Pferden, die bevorzugt die Sinnesorgane einer Gesichtshälfte zur Erkundung neuer Objekte nutzen, bestimmte Persönlichkeitsmerkmale zugesprochen. Es besteht ein wissenschaftlicher Zusammenhang zw. Emotionalität und sensorischer Lateralität. So weist die präferierte Verwendung der linken Sinnesorgane auf eine höhere Reaktivität (Fluchtbereitschaft) des Pferdes hin, wohingegen die präferierte Verwendung der rechten Sinnesorgane eine stärkere Proaktivität (Erkundung/Neugierde) vermuten lässt. Diese individuellen Eigenschaften gilt es im Training und insbesondere im Umgang mit ängstlichen Pferden zu berücksichtigen. Durch Habituation (Gewöhnung) und gezieltes Verhaltenstraining, lässt sich auch die sensorische Lateralität in bestimmten Grenzen modifizieren.
Fazit
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die natürliche Schiefe, die sensorische und motorische Lateralität eigenständige Faktoren sind, die durchaus in der Haltung, der Ausbildung und dem Training zu berücksichtigen sind. Es ist für jeden Reiter und Trainer sinnvoll die motorische und sensorische Lateralität des jeweiligen Pferdes zu kennen, um besser auf dessen Fähigkeiten und Bedürfnisse einzugehen. Insbesondere die motorische Lateralität lässt sich durch gezieltes Training und manualtherapeutische Intervention beeinflussen und reduzieren, was besonders im Jungtieralter die Ausprägung der natürlichen Schiefe minimiert.
Autorin
PD Dr. habil. med. vet. Jenny Hagen ist Fachtierärztin für Anatomie, Histologie und Embryologie, staatlich geprüfte Hufbeschlagschmiedin sowie Spezialistin für Tierchiropraktik. Die Schwerpunkte ihrer beruflichen Tätigkeiten reichen von der Orthopädie des Pferdes über dessen chiropraktische Behandlung bis hin zur Erstellung von Rehabilitations- und Trainingskonzepten. Sie ist Inhaberin einer Tierarztpraxis für Orthopädie und Chiropraktik beim Pferd, Honorarlehrkraft an den Hufbeschlagschulen Schweppe (Dortmund) und Niedersachsen (Verden), Referentin, Gastwissenschaftlerin im Veterinär-Anatomischen Institut der Veterinärmedizinischen Fakultät an der Universität Leipzig. Seit 2022 gehört die freiberufliche Referentin zum Dozententeam der ATM.
Quellen
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