Der Tag, an dem so ein knuddeliges Fellbündel das Haus betritt, verändert alles. Über Wochen ist die Welt voller „Schau mal“ und „Ist der nicht süß“ und „Hast du das gesehen“. Dieses Kindchenschema auf vier Pfoten hat uns eins-fix-drei um den Finger gewickelt. Natürlich wird er ewig jung bleiben. Jedenfalls bis er ungefähr sieben ist. Dann beginnt bei Hunden das Altern. Mit Glück begleitet er uns noch einmal genauso lange und mit noch mehr Glück weiterhin spielend und schmerzfrei. Den Grundstein dafür legen wir zu einem Zeitpunkt, wo wir an alles denken, nur nicht daran: beim Welpen und Junghund.
Der Welpe kommt als unfertiger Nesthocker zur Welt, angewiesen auf mütterliche Fürsorglichkeit und Zuwendung und nur sehr eingeschränkt beweglich. Kriechend orientiert er sich in den ersten zwei Lebenswochen vor allem an zwei Dingen: Wärme und die Nahrung spendenden Zitzen seiner Mutter. Nach ihnen sucht er mit zittrigen Pendelbewegungen des Kopfes. Robbt er dabei in die falsche Richtung, muss die Hündin ihn ins warme Nest zurückholen, denn er ist noch blind und taub. Zwischen dem 10. und 13. Lebenstag öffnen sich Augen und Gehörgänge, der Kopf wird gezielt angehoben, um optische und akustische Reize aufzunehmen. Ab dem 18. Tag werden die ersten unsicheren Gehversuche unternommen, noch sehr wackelig, denn der Gleichgewichtssinn muss erst trainiert werden. Das klappt in der Regel innerhalb weniger Tage.
Lernen für das ganze Leben
Die 4.-7. Lebenswoche ist die sogenannte Prägephase. Was das Hundekind jetzt lernt, prägt es für sein ganzes Leben. In zunächst unbeholfenen, spielerischen Raufereien unter den Geschwistern wird die gezielte Koordination von Bewegung geübt und die Muskeln werden trainiert. Es sind freundschaftliche kleine Plänkeleien von wenigen Minuten Dauer. Der Aktionsradius ist noch eng gesteckt, wird aber täglich erweitert.
In dieser Zeit sollte der junge Hund viele Eindrücke sammeln dürfen, Menschen, Artgenossen, andere Tiere kennen lernen, fremde Geräusche, Jogger, Fahrräder, ein Auto von innen, kurz: das ganze bunte Spektrum seines späteren Hundelebens sollte ihm in kleinen, altersgemäßen Häppchen serviert werden. Dabei kann er seinen Bewegungsdrang ausleben, was für die gesunde Entwicklung des Bewegungsapparates notwendig ist.
Es folgt die Sozialisierungsphase zwischen der 8. und 12. Woche. In dieser Zeit erobert der Welpe das Leben seiner neuen Familie. Er lernt nun differenzierter das Verhalten in seiner Gemeinschaft, ist neugierig und benötigt auf jeden Fall angemessenen Kontakt zu passenden Artgenossen und zu Menschen. Seine Bewegungen werden gezielter und sicherer. Der kleine Körper will trainiert werden, um Knochen und Bindegewebe zu stärken. Training, das heißt in diesem Zusammenhang, unser Hund sollte sich in einem dem Spieltrieb angemessenen Umfeld so viel bewegen dürfen, wie er mag, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Er weiß selbst, wie viel er verträgt. Zuviel Bewegung kann ebenso schaden wie zu wenig. Oft ist er schon nach 10 bis 20 Spazier- und Spielminuten müde und will wieder schlafen. Ein Welpe, der trotz motivierender Angebote wenig Bewegungsdrang zeigt und ruhig herumliegt, ist vielleicht angenehm für den Besitzer, aber er ist nicht gesund.
Große Wachstumsschübe beim Junghund
Etwas variierend von Rasse zu Rasse hat ein Hund um den 5./6. und 9. Monat größere Wachstumsschübe. Er sieht kurzfristig unproportioniert aus, ist schneller müde, weniger belastbar und vor allem anfällig für die Entstehung von Erkrankungen des Bewegungsapparates. Darauf sollte unbedingt Rücksicht genommen werden. Belastungen wie Fahrradfahren, Frisbee, zu langes Ballspielen oder ausgedehnte Jagd- und Zerrspiele sind noch tabu, weil sie knöcherne Strukturen wie Rücken und Gelenke zu sehr belasten.
Es folgt die Zeit der Pubertät und Geschlechtsreife. Wie bei jugendlichen Zweibeinern werden jetzt alle Erfahrungen auf den Prüfstand gestellt und die Nerven des bis dahin glücklichen Besitzers auf eine harte Probe. Gelerntes scheint vergessen, der hormonelle Umbruch wirbelt alles durcheinander. Ihr Hund wird größer, wächst und gedeiht. Die Muskulatur, Bänder und Sehnen werden stärker, die Wachstumsfugen der Knochen (Epiphysenfugen) schließen sich. Das Skelett wird allmählich belastbarer.
Je nach Rasse ist der Hund mit ca. 12-18 Monaten ausgewachsen. Die anfangs langen Schlafphasen wechseln sich mit kontinuierlich länger werdenden aktiven Phasen ab. Trotzdem braucht der junge Hund auf jeden Fall ausreichend Ruhe und Erholung, um das zwar ausgewachsene, aber noch unausgereifte Skelett nicht zu sehr zu beanspruchen. Neu gelernte Bewegungsabläufe und geistige Eindrücke müssen zudem im Schlaf verarbeitet und „nachgelernt“ werden. Erzwungenes Wachhalten oder über die Belastungsgrenze hinaus gehendes Toben schädigt den Bewegungsapparat. Agile Hunderassen wie der leistungsbereite Border Colli müssen zu ihrem eigenen Schutz manchmal zur Ruhe genötigt werden. Ab der 12. Hundewoche heißt es also Bewegung, aber nicht übertreiben, denn ein müder, ausgepowerter Hund ist anfälliger für Verletzungen.
Was passiert in einem müden Bewegungsapparat?
Wir kennen das von uns selbst. An einem schönen Tag geht es vielleicht rauf in die Berge. Aber am Ende der Kondition ist noch viel Bergtour übrig. Die Beine werden weich, die Muskelkraft fehlt, die Konzentration ebenso. Dafür wächst die Verletzungsgefahr. Ein kleiner Stein, eine vorstehende Baumwurzel werden jetzt schnell zur Stolperfalle, denn der Bewegungsapparat ist überlastet. Richtig wäre es, eine Pause zu machen. Statt dessen laufen wir weiter. Die Übertreibung bezahlen wir mit einem schweren Muskelkater, vielleicht sogar mit einem Kreuzbandriss oder anderen schweren Verletzungen. Gerade Junghunde wirken manchmal, als wäre ihre Energie unendlich. Aber ihr Körper folgt den gleichen Gesetzen wie unser menschlicher Körper – mit den gleichen Konsequenzen. Häufige Überlastungen rächen sich dann mit zunehmendem Alter, vor allem in Form von Gelenkserkrankungen und Rückenproblemen.
Dürfen Welpen Treppen steigen, oder nicht?
Es gibt keine fundierten Studien über die Auswirkungen des Treppensteigens bei Welpen. Beim Hochsteigen liegt die Hauptbelastung auf Knie- und Hüftgelenken. Beim Menschen. Der Hund begegnet der Mehrbeanspruchung mit einer stärkeren Dorsalflexion des Sprunggelenkes. Einfach vom Menschen auf den Hund zu schließen funktioniert also nicht.
Die größten Schubkraft liefernden Muskeln befinden sich im Hinterlauf des Hundes, ein paar flache Stufen bergauf sind da kein Problem. Soll der Welpe allerdings mehrmals täglich über steile und für ihn hohe Stufen in den 3. Stock laufen, kann das die noch nicht vollständig ausgereifte Muskulatur und die Gelenke des Hinterlaufes schädigen, vor allem bei Hunderassen und Zuchtlinien, die zur Hüftgelenkdysplasie neigen. Je höher die Stufe, desto mehr Belastung kommt auf das Iliosakralgelenk und die Wirbelsäule, die dabei einer starken Rotation ausgesetzt wird. Das sollte vermieden werden.
Treppab entstehen starke vertikale, Gelenke stauchende Stöße, die auf die kleinen Metakarpal-, Ellenbogen- und Schultergelenke der Vorderläufe wirken. In Folge dessen kann es später zur Arthrosenbildung kommen. Die Bewegung belastet den Übergang von der Halswirbel- zur Brustwirbelsäule und Blockaden sind möglich. Besonders dann, wenn der Welpe ins Rutschen kommt. Gefährlich und unfallträchtig sind auf jeden Fall glatte, offene Treppen, oder nicht rutschfeste Stufen. Für Hunde jeden Alters.
Ursachen und Prävention bei Erkrankungen des Bewegungsapparates
Die Ursachen für Erkrankungen des Bewegungsapparates liegen beim jungen Hund mit bis zu 50 % an einer genetischen Prädisposition. Verantwortlich für diesen hohen Anteil sind die bei vielen Rassen zuchtbedingt und rassetypisch vorhandenen, anatomisch ungünstigen Veränderungen des Bewegungsapparates. Das gilt beispielsweise für kurzbeinige Rassen wie die Französische Bulldogge und den Mops. Bei Dackel und Basset ist der Rücken relativ zu lang, was Bandscheibenvorfälle begünstigt. Aber auch schnellwüchsige Riesenrassen wie Bernhardiner und Irische Wolfshunde sind prädisponiert für Erkrankungen des Bewegungsapparates. Andere Rassen haben ein schwaches Bindegewebe, Anomalien wie Keilwirbel sind bei Doggen zu finden. Hier ist dringend die kritische Vorabrecherche einzelner Zuchtlinien anzuraten. Wer sich auf zwielichtige Händler und Züchter einlässt, handelt sich auch auf dieser Ebene überproportional häufig gesundheitliche Probleme ein.
Die restlichen 50% kann der Hundebesitzer selbst beeinflussen, vor allem durch die richtige Dosierung von Bewegung und Erholung des jungen Hundes. Eine übermäßige Belastung auf harten Böden, extreme Reißspiele, sowie das Springen über hohe Hindernisse im ersten Lebensjahr erhöhen die Wahrscheinlichkeit für eine Entstehung von Gelenksarthrosen.
Eine weitere Ursache für spätere Erkrankungen des Bewegungsapparates ist eine unausgewogene Fütterung im Welpen- und Junghundealter. Übergewicht durch ein schlichtes Zuviel ist ebenso schädlich wie ein zu hoher Energiegehalt in Form von Eiweiß, ein Mangel oder die Überfütterung mit den Mineralstoffen Calcium und Phosphor. Empfohlen wird für Welpennahrung ein Calciumgehalt im Futter von 0,9 bis 1,6 Prozent. Das Verhältnis von Phosphor zu Calcium sollte bei 1,3 bis 1,9 zu 1 liegen und sich mit zunehmendem Alter den individuellen Anforderungen entsprechend reduzieren. Bei Welpen großer Rassen sollte das Futter auf keinen Fall für Turbo-Wachstum sorgen. Im Gegenteil: Ein langsames Wachsen gibt den Knochen genug Zeit auszureifen. Die Gabe von Antioxidantien wie Vitamin E und C, sowie ungesättigte Fettsäuren in Form von Lachs- oder Leinöl haben eine protektive Wirkung und wirken Entzündungshemmend auf die Gelenke.
Patricia Lösche
Patricia Lösche ist freie Autorin, Text- und Bild-Journalistin. Der Dolmetscher-Ausbildung folgten Biologie- und Journalistik-Studium, freier und redaktioneller Journalismus für verschiedene große Verlage. Später dann die Ausbildung zur Tierheilpraktikerin an der ATM und die Tierpsychologie-Ausbildung an der ATN. Empathie, Achtung und Verständnis auf Augenhöhe im Umgang mit Tieren sind Patricia Lösche ein besonderes Anliegen. Seit 2014 schreibt sie für ATM und ATN Blogbeiträge, ist Autorin von Skripten und betreut als Tutorin die Studierende unterschiedlicher Fachbereiche.
In die Wissensvermittlung fließen mehrjährige Praxis-Erfahrungen aus der naturheilkundlichen Behandlung von Pferden, Hunden und Katzen ebenso ein, wie die jahrzehntelange Erfahrung eigener Tierhaltung. Sie ist Mitglied im Fachverband niedergelassener Tierheilpraktiker (FNT) und 1.Vorsitzende im Berufsverband der Tierverhaltensberater und –trainer (VdTT).