Schmerz ist wichtig: Er soll uns dazu veranlassen, verletzte oder geschädigte Körperregionen zu schonen, damit die Heilung nicht gestört wird. Aber Schmerz kann auch großen, zum Teil dauerhaften Schaden anrichten.
Die Stoffwechselvorgänge zur Übermittlung von Schmerz sind bei Mensch und Tier analog. Wenn unsere Tiere humpeln, haben sie wie wir Schmerzen, weil zum Beispiel ein Bein verletzt ist oder der Rücken Probleme bereitet. Für eine kurze Zeit ist das unproblematisch. Hält das Humpeln jedoch an, beginnt sich der Körper zu verändern und im schlechtesten Fall an anderer Stelle Schaden zu nehmen. Als erstes reagieren die Muskeln: Weniger belastete werden abgebaut, andere verstärken sich entsprechend den neuen Anforderungen.
Alles flexibel
Knochen müssen den alltäglichen Belastungen möglichst viel Stabilität entgegen setzen. Also müssen sie auch auf Veränderungen in der Beanspruchung reagieren können. Wie die Muskeln sind Knochen deshalb nicht unveränderlich, sondern werden ab- und umgebaut. Das ist wichtig, denn kommt es zu veränderten Belastungen, muss der Körper neu angepasst werden können, um ihn so weit wie möglich im Gleichgewicht zu halten. Deshalb können gebrochene Knochen wieder zusammenheilen, aus diesem Grund entstehen aber leider auch Arthrosen als Folge andauernder Fehlbelastungen zum Beispiel nach einer Bänderverletzung, einer Arthritis oder bei ausgeprägten Fehlstellungen wie Hüftdysplasie und anderen primären Gelenkserkrankungen. Arthrosen sind knöcherne Zubildungen und der Versuch des Körpers, eigentlich nicht vorgesehene Belastungen zu kompensieren. Einmal entstanden, bleiben sie und bereiten oft starke Schmerzen, die ihren Ursprung im umgebenden Muskelgewebe haben.
Schmerz “schlägt” Alarm
Schmerz erzeugt Schmerz. Kommt es zu einer Erkrankung, gerät der Körper in Alarmbereitschaft. Zunächst entscheidet das Gehirn, ob der Schmerz bedeutungsvoll genug ist für einen größeren Einsatz. Wenn ja, werden alle verfügbaren Trupps zur „Baustelle“ entsendet, um den Schaden schnellstmöglich zu beheben. Das hier arbeitende System wird als COX II-Reaktion bezeichnet, die nur im Bedarfsfall abläuft. Es kommt zu den typischen Entzündungs-Erscheinungen wie Schmerz, Rötung, Schwellung, Erwärmung, Funktionsbehinderung, ein Zeichen dafür, dass hier gearbeitet wird. Kaputtes Gewebe wird abgebaut, seine Bestandteile wiederverwertet oder entsorgt und neues Gewebe aufgebaut.
Akut oder chronisch
Ist der Schaden größer, erzeugt dieser Vorgang selbst auch Schmerz. Solange die Reparatur nicht abgeschlossen ist, läuft dieses System weiter und ruft ein anderes auf den Plan, dasjenige für den Langzeitschmerz, LOX genannt. Der ist nicht mehr so akut, aber als Dauerzustand beeinträchtigt er das Wohlbefinden zum Teil erheblich und führt durch Schmerz bedingte anhaltende Fehlhaltungen nicht selten zu erheblichen Veränderungen der Muskulatur und schließlich der Knochen und Gelenke. Weitere Schäden sind die Folge, die ebenfalls Schmerz verursachen: Jetzt sprechen wir von chronischem Schmerz.
Schmerzmittel sind sinnvoll
Dies ist eine vereinfachte Darstellung sehr komplexer Stoffwechselvorgänge. Sie zeigt jedoch die Wichtigkeit einer angemessenen Schmerztherapie. Veterinärmedizinisch erfolgt dies durch chemische Schmerzmittel, sogenannte NSAIDs und NSARs wie zum Beispiel Metacam. Kurzzeitig und korrekt, am besten mit begleitendem Magenschutz angewandt (auch hier bietet die Naturheilkunde ein breites Spektrum), ist das unproblematisch und auch sinnvoll, da diese Mittel spontan wirken, wie es nach Operationen oder Verletzung erforderlich ist. Die Behandlung chronischer Schmerzen hingegen erfordert eine medikamentöse Langzeittherapie, in deren Verlauf es häufig zu Folgeschäden kommt, insbesondere im Bereich von Magen und Nieren.
Nachteile synthetischer Schmerzmittel
Die genannten chemischen Schmerzmittel beeinflussen nicht nur in das COX II vermittelte Schmerzgeschehen, sondern gleichzeitig ein weiteres, für den Körper außerordentlich wichtiges System, COX I genannt. Dieses ständig arbeitende System ist unter anderem beteiligt am Aufbau des Puffers, der den Magen vor Selbstverdauung schützt. Hierauf sind die als potenzielle Nebenwirkung beschriebenen Magengeschwüre zurückzuführen, weil die nur noch unzureichend geschützte Magenwand jetzt von den hoch aggressiven Verdauungssäften des Magens geschädigt werden kann. Magenerkrankungen wie Magengeschwüre können die Folge sein.
Vielfältige Nebenwirkungen
Das COX-I-System steht außerdem im Zusammenhang mit der Blutgerinnung. Die Nieren haben die Aufgabe, belastende Schadstoffe aus dem Kreislauf herauzufiltern. Ein Mensch produziert dazu etwa 170 Liter Primärharn täglich, die auf knapp 2 Liter herunter gefiltert werden. Diese enorme Leistung ist abhängig von einer gut funktionierenden, starken Durchblutung. Kommt es zu Durchblutungsstörungen, kann das Nierengewebe dauerhaft geschädigt werden. Eine Beeinträchtigung des COX-I-Systems bewirkt Veränderungen der Blutgerinnung. Dies ist die Ursache für die als Nebenwirkung herkömmlicher Schmerzmittel beschriebenen Nierenschäden. Selbst die Schmerzmittel der neueren Generation, die schon erwähnten NSAIDs bzw. NSARs, schaffen es noch nicht, zwischen „bösem“ und „gutem“ System zu unterscheiden und greifen beide an, weil die Grundbausteine beider Systeme identisch sind. Zur Vermeidung von Schäden durch eine längerfristige Anwendung von schulmedizinischen Schmerzmitteln ist es sinnvoll, so lange wie möglich auf weitgehend nebenwirkungsfreie Alternativen bzw. begleitende Maßnahmen zur Schmerzbehandlung auszuweichen und den Einsatz herkömmlicher Schmerzmittel zu reduzieren oder so lange hinauszuzögern, bis auf starke chemische Schmerzmittel nicht mehr verzichtet werden kann.
Naturheilkunde kann helfen
Dazu gibt es sehr gute pflanzliche Schmerz- und Entzündungshemmer, aber auch Homöopathie, Akupunktur und Blutegeltherapie bieten viele Möglichkeiten zur alleinigen oder begleitenden Schmerztherapie und lassen sich für eine Steigerung der Wirkung teilweise gut kombinieren.
Patricia Lösche
Patricia Lösche ist freie Autorin, Text- und Bild-Journalistin. Der Dolmetscher-Ausbildung folgten Biologie- und Journalistik-Studium, freier und redaktioneller Journalismus für verschiedene große Verlage. Später dann die Ausbildung zur Tierheilpraktikerin an der ATM und die Tierpsychologie-Ausbildung an der ATN. Empathie, Achtung und Verständnis auf Augenhöhe im Umgang mit Tieren sind Patricia Lösche ein besonderes Anliegen. Seit 2014 schreibt sie für ATM und ATN Blogbeiträge, ist Autorin von Skripten und betreut als Tutorin die Studierende unterschiedlicher Fachbereiche.
In die Wissensvermittlung fließen mehrjährige Praxis-Erfahrungen aus der naturheilkundlichen Behandlung von Pferden, Hunden und Katzen ebenso ein, wie die jahrzehntelange Erfahrung eigener Tierhaltung. Sie ist Mitglied im Fachverband niedergelassener Tierheilpraktiker (FNT) und 1.Vorsitzende im Berufsverband der Tierverhaltensberater und –trainer (VdTT).