Hitzschlag beim Pferd: Erkennen, helfen, vermeiden

Hitzschlag bei Pferden: Erkennen, helfen, vermeiden – Patricia Lösche

Wieviel Hitze ist dem Pferd zuzumuten? Was das eine Pferd vielleicht noch verkraftet, lässt das andere aufgrund von Überhitzung kollabieren. Manchmal mit tödlichem Ausgang. Vor allem Reiter, die bei sommerlichen Temperaturen an den an den Turnierstart gehen oder an Vorführungen teilnehmen, sollten ihr Pferd darum gut einschätzen können. Denn ein Hitzschlag beim Pferd ist ein hochakuter und tierarztpflichtiger Notfall. Stehen die Zeichen auf Alarm, muss bis zum Eintreffen des Tierarztes dringend erste Hilfe geleistet werden, um schlimmste Folgen zu verhindern. Aber Pferde kollabieren nicht ohne Vorwarnung. Wer die Anzeichen kennt, kann frühzeitig eingreifen.

Hitzestau: Spätestens ab 25 Grad wird Pferden warm

Wer bei Sommerhitze mit seinem Pferd den Turnierstart wagt, kämpft also nicht nur gegen die Konkurrenz. Aber wieviel Hitze verträgt ein Pferd? Es gibt unterschiedliche Angaben zur Wohlfühltemperatur von Pferden. Sie beginnt etwa bei fünf Grad Kälte und endet zwischen 15 und 25 Grad Wärme. Die individuelle Hitzeverträglichkeit ist abhängig von der Rasse, dem individuellen Thermoregulationsvermögen, vom Alter und vom allgemeinen Gesundheits- und Trainingszustand des Pferdes. Ein Pferd, das im Heimatstall bei Wärme lieber im Schatten steht, nur mäßig trainiert ist und schon bei normaler Arbeit schnell schwitzt, sollte bei Hitze nicht zusätzlich belastet werden.

Der geschlossene Pferdeanhänger – eine tödliche Falle

Grundsätzlich dürfen Pferde bei Sommerwärme auf Veranstaltungen niemals im geschlossenen Hänger stehen. Vor allem kleinere oder ältere, schlecht zu belüftende Pferdeanhänger heizen sich schnell auf und der Sauerstoffgehalt der Luft nimmt ab. Fenster, Türen, Rampe: Alles muss offen sein. Dann kann die Luft zirkulieren. Gut ist, wenn über den Hänger ein Schattenspender, zum Beispiel ein Sonnensegel gespannt wird. Auch eine nasse Pferdedecke auf dem Hängerdach hilft den Hänger kühl zu halten.

Wo es praktikabel ist, sind Pferde bis zum Start in den Schatten zu führen. Findet sich kein Baum, kann eine Schatteninsel zwischen zwei Transportern genutzt werden, oder das Pferd wird außen am Hänger unter einem Schatten spendenden Sonnenschutz angebunden. Immer wieder muss den Tieren temperiertes, also eher lauwarmes, kein kaltes Wasser angeboten werden.

Wird die Tränke verweigert, kann es am Material des Eimers liegen. Kunststoffeimer, vor allem wenn sie neu sind, dünsten in der Wärme verstärkt chemische Inhaltsstoffe aus. Das kann Geruch und Geschmack des Wassers verändern. Besser sind Metalleimer. Besonders kritische Pferde trinken zuweilen nur heimisches Wasser. Wer das von seinem Pferd kennt, muss bei warmem Sommerwetter den Mehrbedarf unbedingt berücksichtigen.

Wenn Schattenspender wie Bäume oder Unterstand fehlen, kann es auch in bereitgestellten Panelboxen und schlecht gelüfteten Stallzelten zum Hitzschlag kommen. Vor allem Fohlen und ältere Pferde leiden – wie beim Menschen kleine Kinder und Senioren – unter sengender Hitze. Daran ist bei Stuten- und Fohlenschauen zu denken.

Bodycheck Körpertemperatur

Bei Wärme halten Pferde wie Menschen über das Schwitzen ihre Innentemperatur im physiologischen Normalbereich. Der Kühlungseffekt entsteht durch Verdunstungskälte, die der Schweiß erzeugt. Obwohl das Pferd – wie der Mensch – Schweißdrüsen am ganzen Körper hat, kann deren Leistungsfähigkeit an heißen Tagen überfordert sein. Dann ist die physiologische Körpertemperatur nicht mehr aufrecht zu halten. Sie beginnt zu steigen.

Durch regelmäßige Kontrolle der Körpertemperatur lässt sich relativ früh erkennen, ob das Pferd an seine Adaptionsgrenze kommt. Steigt die Temperatur schon in Ruhe, ist Gefahr im Verzug. Die Normaltemperatur eines Pferdes ist innerhalb einer gewissen Bandbreite individuell. Für erwachsene Pferde gelten die nachfolgenden Richtwerte:

  • 32,0 – 37,2 °C Untertemperatur
  • 37,3 – 38,2 °C Normaltemperatur
  • 38,3 – 39,5 °C leichtes Fieber
  • 39,5 – 40,5 °C Fieber
  • 40,5 – 42,0 °C hohes Fieber
  • 39,0 – 39,5 °C Temperatur nach Belastung, bei starker Anstrengung sogar bis 40 °C. Kommt jetzt noch Hitze von außen hinzu, kann es schnell kritisch werden

Puls und Atmung

Um beurteilen zu können, ob bereits ein Temperaturanstieg vorliegt, ist es wichtig, die Normaltemperatur seines Pferdes kennen. Sie wird in Ruhe am gesunden Pferd und bei moderaten Außentemperaturen gemessen. Auch die Beurteilung der Atemfrequenz, ebenfalls ein wichtiger Indikator für den Gesundheitszustand bei Hitze, ist nicht kompliziert und lässt sich zuhause trainieren. Die normale Atemfrequenz eines Pferdes in Ruhe ist individuell und liegt zwischen 8 und 16 Atemzüge pro Minute. Schräg von hinten lässt sich das Heben und Senken der Seite bei jedem Atemzug am besten erkennen. Schwieriger ist schon die Pulsmessung. Wobei der physiologische Ruhepuls zwischen 24 und 48 Schlägen liegt. Die Normalwerte für Atmung und Temperatur seines Pferdes zu kennen, ist auf jeden Fall hilfreich. Ermittelt werden sie durch mehrmalige Überprüfung an unterschiedlichen Tagen. Bei einem gesunden Pferd sollten die Normalwerte 30 Minuten nach Belastung wieder erreicht werden.

Ausgeschwitzte Elektrolyte ausgleichen

Das Schwitzen schützt den Körper zwar vor Überhitzung, aber dadurch verliert er gleichzeitig auch enorm viel Flüssigkeit. Sie enthält Elektrolyte, im Körper gelöste Mineralien. Vor allem Natrium, Kalium und Chlorid werden mit dem Schweiß ausgeschieden, außerdem Kalzium, Magnesium, Stickstoff, Phosphor, Zink, Eisen, Kupfer und Selen. Diese Mineralien sind essentiell für die Vitalfunktionen von Organen und Geweben. Werden die Verluste nicht ausgeglichen, kann es zu tödlichem Organversagen kommen. Darum ist ein Salzleckstein bei Wärme und Hitze besonders nötig. Zusammen mit Wasser können auch immer wieder kleinere Mengen Mineralfutter gegeben werden.

ScoreBeobachtbare Schweißproduktion

Schweißproduktion in ltr bei 600 kg Körpergewicht

1

Unter dem Sattel teils trocken, teils feucht, klebriger Halsbereich, Flanken dunkler als normal

1-4
2unter der Satteldecke und Halsareale nass>4-7
3

Trense hinterlässt einen deutlich feuchten Abdruck, eventuell mit Schaumbildung am Backenstück und Nasenriemen, Hals, Sattel- und Gurtlage durchgängig nass, Flanken feucht

>9-12
4Hals und Flanken komplett nass, feuchte, dunkle Falten über den Augen, weißer Schaum zwischen den Hinterbacken bei gut bemuskelten oder dicken Pferden>9-12 
5Score 4 und zusätzlich über den Augen und unter dem Bauch tropfnass>12-18
Tabelle nach Zeyner et al. 2012, Gesellschaft für Ernährungsphysiologie der Haustiere 2013, Quelle: Meyer, Coenen, Vervuert: Pferdefütterung, Verlag Thieme

Distanz- und Vielseitigkeitspferde können bei sommerlichen Temperaturen während einer Prüfung bis zu 35 Liter Schweiß verlieren.

Alarmzeichen für den drohenden Hitzekollaps

Bei Hitzewellen wie denen von 2015, als Europa wochenlang unter Temperaturen von über 40 Grad stöhnte, können Pferde sehr schnell in einen kritischen Gesundheitszustand geraten. Umso wichtiger ist es, bei sommerlichen Temperaturen die Anzeichen zu kennen, mit denen sich ein Zusammenbruch des Kreislaufs ankündigt.

  • Die Atmung ist schon in Ruhe beschleunigt, das Pferd atmet mit erweiterter Nüsternstellung
  • Zunehmende Apathie
  • Die Schleimhäute verfärben sich dunkel, später werden sie sehr hell
  • Die Körpertemperatur steigt
  • Starker Schweißausbruch zu Beginn, dann Versiegen der Schweißproduktion
  • Taumelnder Gang bis hin zu Stolpern und Stürzen
  • Schließlich kommt es zum Kreislaufversagen mit Festliegen
Soforthilfe bei drohender Überhitzung: Schatten, Kühlung und temperiertes Wasser (Foto: Patricia Lösche)

Erste Hilfe für Pferde bei Hitzschlag

Tiere in diesem sich zunehmend und oft schnell verschlechterndem Zustand brauchen umgehend einen Tierarzt. Er verabreicht die lebensnotwendigen Elektrolyte und Flüssigkeit über einen Venentropf. Bis zum Eintreffen des Tierarztes muss dringend erste Hilfe geleistet werden. Kann das Pferd noch laufen: In den Schatten oder in einen Stall führen immer wieder temperiertes, nie eiskaltes Wasser anbieten und langsam in kleinen Mengen trinken lassen. Steht es noch, kann aber nicht mehr laufen: Beschatten, zum Beispiel zwischen zwei Hänger stellen und über ihm eine Plane, Tücher oder (helle) Decken als Schattenspender spannen. Auf Luftzirkulation achten, eventuell abfächeln. Mit kühlem, aber auf keinen Fall kaltem Wasser abschwammen.

Liegt es bereits, sollten mehrere Helfer Decken als Schattenspender über – niemals auf – das Pferd halten. Feuchte, kühle, aber auch hier nie eiskalte Tücher können auf das Pferd gelegt werden, vor allem über Kopf und Nacken, Beine können damit umwickelt werden. In kurzen Abständen wechseln. Pferd mit temperiertem Wasser abschwammen. Im hochakuten Zustand weder füttern, noch tränken, der Schluckreflex kann gestört sein.

Heimarbeit

Schon zuhause lässt sich das Risiko für einen Hitzestau senken. Man kann Pferden beibringen, ruhig mit allen vier Beinen in Wassereimern zu stehen und feuchte Tücher über Kopf und Hals zu dulden. Bei Hitze ist dies eine gute Maßnahme, Pferde herunter zu kühlen. Auf Turnieren lässt sich das zwischendurch leicht anwenden – noch bevor es zu spät ist. Vorsicht bei der Verwendung von Kühlgamaschen: Die Maßnahme kann als Doping gewertet werden.

Pferdetransport bei Hitze

Zwar schützen sie vor Verletzungen, aber Decken und dicke Transport-Gamaschen gehören bei sommerlicher Hitze nicht ans Pferd. Es kann unter ihnen zum Hitzestau kommen. Leichtes Bandagieren, kombiniert mit Hufglocken muss in diesem Fall ausreichen. Der Hänger sollte während der Fahrt so offen wie möglich bleiben, die Fenster allerdings nur so weit, dass die Pferde den Kopf nicht hinausstrecken können. Der Salzleckstein muss gut erreichbar sein und auf längeren Strecken ist dem Pferd regelmäßig Wasser anzubieten. Die Fahrten sind auf kühle Tageszeiten wie frühe Morgenstunden oder spät abends zu legen.

Nicht nur unter Transportdecken, auch unter flauschig-weich wattierten Kunstfaser-Schabracken kann es bei sommerlichen Temperaturen zum Hitzestau kommen. Die richtige Satteldecke für den Sommer muss saugfähig, am besten aus Baumwolle und so leicht wie möglich sein. Neopren-Gamaschen werden besser gegen solche aus leichteren Materialien getauscht.

Dozenten und Autoren ATM - Autorin Patricia Lösche

Patricia Lösche

Patricia Lösche ist freie Autorin, Text- und Bild-Journalistin. Der Dolmetscher-Ausbildung folgten Biologie- und Journalistik-Studium, freier und redaktioneller Journalismus für verschiedene große Verlage. Später dann die Ausbildung zur Tierheilpraktikerin an der ATM und die Tierpsychologie-Ausbildung an der ATN. Empathie, Achtung und Verständnis auf Augenhöhe im Umgang mit Tieren sind Patricia Lösche ein besonderes Anliegen. Seit 2014 schreibt sie für ATM und ATN Blogbeiträge, ist Autorin von Skripten und betreut als Tutorin die Studierende unterschiedlicher Fachbereiche.

In die Wissensvermittlung fließen mehrjährige Praxis-Erfahrungen aus der naturheilkundlichen Behandlung von Pferden, Hunden und Katzen ebenso ein, wie die jahrzehntelange Erfahrung eigener Tierhaltung. Sie ist Mitglied im Fachverband niedergelassener Tierheilpraktiker (FNT) und 1.Vorsitzende im Berufsverband der Tierverhaltensberater und –trainer (VdTT).

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