Hyperlipämie ist eine Störung des Fettstoffwechsels und bei Eseln vor allem eine Luxuskrankheit. Die häufigste Ursache ist Übergewicht: Zu viel und zu nährstoffreiches Futter bei zu wenig Energieverbrauch sorgen für die Entstehung von Fettdepots. Übergewicht oder gar Fettsucht (Adipositas) ist immer ungesund. Bei uns ebenso wie bei unseren Haustieren. Für Esel kann aber schon moderates Übergewicht tödlich enden. Um das verstehen zu können, werfen wir kurz einen Blick in die evolutionäre Vergangenheit der freundlichen Langohren.
Esel sind angepasst an karge Kost
Die Ururur…ahnen unserer Hausesel lebten in Wüsten und wüstenähnlichen Regionen bei magerstem Futterangebot. Dass so große Säugetiere dort überhaupt überleben können, grenzt an ein Wunder. Flüssigkeitshaushalt und Stoffwechsel passten sich im Laufe der Evolution perfekt an die karge Kost an und trotzten selbst dem Nichts an Nahrung noch Energie ab. Ein hartes Leben, eine gnadenlose Auslese. Nur die Härtesten unter ihnen, die gesündesten und am besten angepassten, schafften es, unter diesen Bedingungen ihre Gene an Nachkommen weiterzugeben.
Auf dieser Basis wurde der Esel zum Haustier. Herausgekommen ist ein extrem leichtfuttriger Equid, ein sehr genügsamer Leistungsträger, der über Jahrtausende des Menschen Lasten und ihn selbst von A nach B trug oder zog und es in vielen Regionen noch tut. Eine intelligente Spezies, keinesfalls stur, sondern energieeffizient im Handeln. Aber das ist hier nicht unser Thema.
Hyperlipämie ist eine Wohlstandskrankheit
Bei uns lebt der Hausesel (Equus asinus asinus) in einem Wohlstand und unter klimatischen Bedingungen, für die er bis heute nicht vorgesehen ist. Wird er aus gut gemeinten Motiven oder Unkenntnis zu üppig gefüttert, ist sein an mageres Nahrungsangebot angepasster Fettstoffwechsel bald überfordert. Bei Eseln, aber auch Pferden und Ponys mit Adipositas oder Equinem Metabolischem Syndrom (EMS), kann sich daraus eine Hyperlipämie entwickeln. Wobei ein ein Esel schon dick ist, wenn Ungeübte ihn als normal wohlproportioniert empfinden, während seine Optimalfigur eher mager erscheint.
Hyperlipämie ist die übermäßige Anreicherung von Triglyzeriden im Blutserum. Triglyceride sind Fette, die dem Futter entzogen werden. Sie sind der wichtigste Anteil an den Nahrungsfetten und dienen dem Körper als Energieträger.
Esel sind besonders anfällig für die Entwicklung einer Hyperlipämie. Sie führt zur Leberverfettung und ist eine sehr schwere, zu spät oder unbehandelt am Ende tödliche Erkrankung, die von außen lange unbemerkt bleiben kann. Fresspausen sind normal. Aber auch dann brauchen alle Vorgänge im Körper Energie. Wird eine Fresspause eingelegt oder allgemein zu wenig Futter aufgenommen, entsteht eine negative Energiebilanz, weil der Körper zur Aufrechterhaltung lebenswichtiger Funktionen kurzfristig mehr braucht, als er gerade mit der Nahrung geliefert bekommt. Um die Versorgung sicherzustellen werden in dieser Zeit vorhandene Reserven angezapft, indem zum Beispiel Fett abgebaut wird. Stimmt die Energieversorgung durch Futteraufnahme wieder mit dem Energieverbrauch überein, stoppt dieser Vorgang.
Ein komplexes Hormonsystem sorgt jetzt dafür, dass benötigte Energie aus Fettreserven mobilisiert wird. Sobald die richtige Energiemenge aus den Depots abgebaut ist und die Leber anfängt, den Energieträger Glukose zu produzieren, schaltet das System sich normalerweise ab. Hier unterscheidet sich der Esel von den meisten anderen Tieren.
Risikofaktoren für die Entstehung der Hyperlipämie
Im Stammland seiner Urahnen wurde so ein System nicht gebraucht, denn dort sind Fettreserven von nennenswertem Umfang eine unbekannte Größe, eine Regelung entsprechend überflüssig. Dabei ist es geblieben. Bis heute gibt es bei ihm keinen “Schalter”, der zuverlässig auf Stopp geht, sobald ausreichend Fett für die notwendige Energiegewinnung im Blut zur Leber gelangt ist. Ist die Maschinerie erst einmal angelaufen, wird Fett aus den Depots weiter abgebaut, und weiter und weiter… Depots, die bei übergewichtigen Tieren reichlich vorhanden sind. Es überschwemmt das Blut, Leber und Niere sind damit überfordert. Schließlich kommt es zum Organversagen. Die Risikofaktoren, die diese Lawine ins Rollen bringen, sind bekannt:
- Übergewicht, Übergewicht, Übergewicht.
- Zu schnelles Abnehmen aufgrund von Diätmaßnahmen. Darum muss Abnehmen bei Eseln (auch bei betroffenen Pferden und Ponies) so langsam geschehen, dass keine Unterversorgung eintritt. Wenngleich auch das die Entwicklung einer Hyperlipämie nicht vollkommen ausschließt.
- Schnelles Abnehmen aus Krankheitsgründen, bei Parasitenbefall oder bei Zahnproblemen kann auch bei schlanken Tieren zur Hyperlipämie führen.
- Stoffwechselstörungen wie Hufrehe oder Cushing Syndrom
- Abmagerung aufgrund von Futtermangel (Anorexie)
- Stress kann die Futteraufnahme verringern und darüber die Erkrankung auslösen. Auch wenn Esel erst spät zeigen, dass es ihnen nicht gut geht (man muss wirklich sehr genau hinsehen): Schmerz, Verlust des “Best Buddies”, Futterwechsel, soziale Unverträglichkeiten, falsche Haltungsbedingungen, Besitzerwechsel, Transport, schlechter Wetterschutz sind für ihn Stressoren, die die Futteraufnahme nachhaltig stören können, wenn sie andauern.
- Gefährdet sind Stuten vor allem während der späten Trächtigkeit und frühen Säugezeit, wenn der Körper nach viel Energie verlangt, um das Fohlen zu versorgen. Hengste und Wallache sind aus naheliegenden Gründen deshalb seltener betroffen.
Erster Hinweis auf Hyperlipämie: Verhaltensveränderungen
Jede kleine Verhaltensveränderung kann ein Hinweis darauf sein, dass hier etwas außer Kontrolle gerät. Eselhalter müssen ihre Tiere gut beobachten, weil man ihnen Erkrankungen aufgrund ihrer ruhigen Art allgemein erst sehr spät anmerkt. Nicht selten wird eine Hyperlipämie erst im fortgeschrittenen Stadium bemerkt, was ein Grund für die hohe Sterberate von 60 bis 90 Prozent ist.
Erstes Indiz sind meist längere Liegezeiten bis hin zum Festliegen. Hierfür gibt es zwar auch andere Ursachen, aber Hyperlipämie ist eine häufige. Weitere Warnzeichen können sein:
- schlechter Geruch des Atems
- Lethargie
- verringerter Appetit
- weniger Kotabsatz
- Schleim auf dem Kot
Im späteren Verlauf zeigen sich dann deutliche Symptome wie:
- Wasseransammlung im Bauch (Ödeme)
- Anzeichen von Leber- und Nierenversagen, z.B. Ataxie oder Laufen im Kreis
Am Ende kommt es zu Zusammenbruch, Bewusstlosigkeit und Tod. Je früher die Lage erkannt wird, desto größer die Chance, dass der Esel überlebt.
Hyperlipämie und Übergewicht vorbeugen
Vorbeugen ist besser als heilen. Das gilt insbesondere für die Hyperlipämie des Esels. Es beginnt mit der Ernährung. Futtermanagement und Futterqualität müssen der Leichtfuttrigkeit von Eseln individuell angepasst sein, damit der Esel schlank bleibt, aber nicht abmagert. Fette Wiesen und Hochleistungsgräser sind für ihn als Weideland ungeeignet, nahrhaftes Heu ebenfalls. Sein Grundnahrungsmittel heißt Stroh, dazu grobes, überständiges Heu, auch gerne Zweige, Rinde, Holz, Blätter von ungiftigen Pflanzen. Hinzu kommt an Alter, Ernährung und Leistung angepasstes Mineralfutter. Gras ist ein Goodie on top und streng zu rationieren, sollte kräuter- und faserreich, aber nährstoffarm sein. Heulage oder Silage sind kein Eselfutter. Kraftfutter braucht ein Esel nur, wenn echte Leistung verlangt wird, wohldosiert in ganz individuellen Mengen. Meist aber eher nicht.
Tragende und laktierende Eselstuten
Vorsicht ist insbesondere bei tragenden und laktierenden Stuten geboten. Wer meint, das Ungeborene ordentlich mitfüttern zu müssen, liegt falsch! Erst im letzten Drittel der Trächtigkeit, wenn der Fetus schneller zu wachsen beginnt, ist eine bedarfsgerechte Zufütterung sinnvoll, sollte aber mit viel Fingerspitzengefühl erfolgen, um Übergewicht zu verhindern. Gewichtszunahmen deutlich jenseits des Gewichtes des wachsenden Fohlens im Bauch sind zu vermeiden. Nach der Geburt sollte die Stute durch die Milchproduktion zwar nicht abmagern – aber auch jetzt nicht zunehmen.
Diätplan bei Übergewicht
Muss der Esel auf Diät gesetzt werden, braucht er einen guten Diätplan, denn das Abnehmen darf nur langsam erfolgen, wenn nötig mit engmaschiger Kontrolle der Blutwerte. Damit trotz allem keine Langeweile aufkommt, was ebenfalls nicht gesundheitsförderlich wäre, lässt sich die Futteraufnahme durch geschickte Maßnahmen entschleunigen und die Ration dadurch über einen längeren Zeitraum strecken.
Rippen sollen bei Eseln nicht zu sehen, aber sehr gut unter der Haut zu fühlen sein, ohne tastbare Fettpolster zwischen Haut und Rippen. Auch am Mähnenkamm und über den Körper verteilte Fettdepots – bei Eseln durch Speckhals und „Fettbeulen“ gut zu erkennen – sind unbedingt zu vermeiden, ebenso deutliche Schwankungen im Gewicht.
Anhaltender Stress fördert Hyperlipämie
Esel sind keine Freunde von allzu plötzlichen Veränderungen ihrer Lebensbedingungen. Sie lieben eine gewisse Routine. Durch abrupte Veränderungen verursachter Stress kann die Futteraufnahme stören. Natürlich sind Hängerfahrten, Trekking, Therapieeinsatz, Kutsche fahren, Kindergeburtstage und andere Abenteuer kein Problem, Esel sind keine “Warmduscher”. Solange ihnen Zeit gegeben wird, sich damit anzufreunden, gehen sie mit einem durch Dick und Dünn.
Ist ein Klinikaufenthalt notwendig, leistet der vertraute Gefährte besser Gesellschaft, um unnötigen Stress und damit Futterkarenz zu vermeiden. Die Langohren reagieren auf Abwesenheit ihres Lieblingsesels oft mit völliger Futterverweigerung, die dann in einer Hyperlipämie enden kann. Auch bei Koliken, die den Esel ebenso treffen können wie Pferde, und die zwangsläufig mit einer reduzierten Futteraufnahme einhergehen, muss dem Esel gegebenenfalls ausreichend Energie auf anderem Wege zugeführt werden.
Pferde tolerieren Futterkarenz kurzfristig, Esel haben da ihre eigenen Regeln, das gilt auch für die medizinische Behandlung. Tierärzte und Kliniken kennen sich bei uns mit den Besonderheiten selten aus und müssen sich unbedingt bei fachkundigen Kollegen oder in der Fachliteratur informieren, auch was Medikationen und Behandlung angeht, damit dem Esel nicht mehr geschadet, als genützt wird.
Trauernde Esel fressen nicht
Stirbt ein Mitesel, gibt man den Zurückgebliebenen möglichst Zeit, sich vom toten Tier zu verabschieden. Esel entwickeln sehr enge Bindungen untereinander. Fehlt einer der Kumpel plötzlich auf ungeklärte Weise, kann auch das ein Anlass sein, sich in eine Hyperlipämie hineinzuhungern. Gleiches gilt für die Eingliederung in eine neue Umgebung und Zusammenführung mit neuen Miteseln. Hier ist Einfühlungsvermögen gefragt, damit anhaltender Stress durch Mobbing und Aggressionen unter den Tieren vermieden wird. Es ist wie bei uns, manchmal stimmt die Chemie, manchmal braucht es eine Weile, bis man sich kennen und lieben gelernt hat.
Esel nicht im Regen stehen lassen
Eselfell erscheint dicht. Es wärmt, schützt aber nicht vor Nässe. Ein weiteres Relikt aus der Wüstenzeit. Die Langohren werden buchstäblich nass bis auf die Haut. Kommen eine frische Brise und niedrige Temperaturen hinzu, frieren sie schnell und brauchen mehr Energie, als sie vielleicht aufnehmen. Sie benötigen einen Unterstand, der sie vor Nässe und Zugluft schützt. Vor allem ältere Esel und Fohlen können in der kalten Jahreszeit, aber auch bei kühlen Sommertemperaturen und längeren Regenzeiten in unseren Breitengraden gerne eingedeckt werden, damit sie nicht abnehmen.
Das alles liest sich kompliziert? Also Finger weg von Eseln? Auf keinen Fall. Hat sich das Futtermanagement einmal eingespielt und stimmt der Witterungsschutz, entsprechen Esel ganz dem Klischee des genügsamen, zähen, gesunden, geduldigen und vor allem außerordentlich liebenswerten Equiden, der bis zu 40 Jahre alt oder noch älter werden kann – mit Hang zu enger Bindung, auch zum Menschen. Darum eignen sie sich hervorragend für den Einsatz in der tiergestützten Arbeit. Und soviel ist sicher: Mit heißen, trockenen Sommern, Dürrewiesen und knappem Heuangebot haben sie definitiv kein Problem.
Umfangreiches Wissen zum Thema Esel vermittelt unsere Partnerakademie ATN im Rahmen der Ausbildung zur Tiergestützten Arbeit.
Patricia Lösche
Patricia Lösche ist freie Autorin, Text- und Bild-Journalistin. Der Dolmetscher-Ausbildung folgten Biologie- und Journalistik-Studium, freier und redaktioneller Journalismus für verschiedene große Verlage. Später dann die Ausbildung zur Tierheilpraktikerin an der ATM und die Tierpsychologie-Ausbildung an der ATN. Empathie, Achtung und Verständnis auf Augenhöhe im Umgang mit Tieren sind Patricia Lösche ein besonderes Anliegen. Seit 2014 schreibt sie für ATM und ATN Blogbeiträge, ist Autorin von Skripten und betreut als Tutorin die Studierende unterschiedlicher Fachbereiche.
In die Wissensvermittlung fließen mehrjährige Praxis-Erfahrungen aus der naturheilkundlichen Behandlung von Pferden, Hunden und Katzen ebenso ein, wie die jahrzehntelange Erfahrung eigener Tierhaltung. Sie ist Mitglied im Fachverband niedergelassener Tierheilpraktiker (FNT) und 1.Vorsitzende im Berufsverband der Tierverhaltensberater und –trainer (VdTT).
Quellen
The Dick Vet Equine Practice: Donkey Fact Sheet (Eastern Bush Veterinary Centre, University of Edinburgh) www.dickvetequine.com
The Donkey Sanctuary Fact Sheets: Feeding and Managing the overweight Donkey; Feeding Donkeys; Feeding the Donkey with endocrine Disorders. www.thedonkeysanctuary.org.uk