Leaky Gut ist eine Veränderung der Darmdurchlässigkeit. Ein gesunder Darm entzieht der Nahrung selektiv, also kontrolliert, Nährstoffe, die der Körper braucht. Bestimmte Strukturen zwischen den Zellen der Darmwand, die Tight Junctions, sorgen dafür, dass keine Stoffe unkontrolliert zwischen den Zellen hin durchschlüpfen können. Beim Leaky Gut funktioniert diese Barriere nicht mehr und es gelangen Stoffe ins Blut und damit in den Körper, die dort Schaden anrichten und krank machen können.
Bedeutung der Labordiagnostik beim Leaky Gut
Die Liste der möglichen Folgeerscheinungen ist ebenso lang wie unspezifisch. Durchfall, Stimmungsschwankungen, Autoimmunerkrankungen, Allergien, Tumore und vieles mehr können auch durch andere Ursachen hervorgerufen werden. Erst durch eine gezielte Suche nach bestimmten Indikatoren, die auf ein Leaky Gut-Syndrom hinweisen, kann es als Ursache identifiziert werden. Wobei noch nicht klar ist, ob ein Leaky Gut Auslöser oder Folge dieser Symptome ist.
Weder von außen, noch beim Blick durch das Endoskop lässt sich ein Leaky Gut erkennen. Die Diagnose erfolgt vielmehr durch Feststellung bestimmter Laborwerte. Einer davon ist Zonulin, ein Protein (Eiweiß), das von der Darmschleimhaut gebildet wird. Es steuert die Durchlässigkeit (Permeabilität) der Darmbarriere, indem es die Öffnung der Tight junctions bewirkt. Im Labor kann im Kot enthaltenes Zonulin gemessen werden. Wobei die Bestimmung nicht immer sicher ist. Manche Erkrankungen können zu einem falsch-negativem Ergebnis führen, weil Durchfall, Antibiotika oder eine chronische Darmentzündung die Zonulin-Werte nach unten hin verfälschen. Das gleiche gilt für eine Minderdurchblutung infolge von Stress oder die Einwirkung von Schwermetallen.
Typische Labor-Marker zur Diagnose eines Leaky Gut
Drei weitere Laborwerte (Marker), die auf einen Leaky Gut hinweisen können, sind
- ⍺1-Antitrypsin
- sekretorisches Immunglobulin A (sIgA)
- Calprotectin.
Nur wenige Labore bieten diese Diagnostik an. Außerdem können sich Referenzwerte und ermittelte Werte von Labor zu Labor unterscheiden. Darum sind sie nicht unbedingt direkt vergleichbar. Auch der Zeitpunkt der Entnahme spielt eine Rolle. Es gibt zum Teil starke tageszeitliche und jahreszeitliche Schwankungen ohne Krankheitswert. Einzelne Laborwerte alleine sind zudem nicht immer aussagekräftig, sondern sollten im Zusammenhang mit anderen Werten und im zeitlichen Verlauf beurteilt werden.
Das Protein ⍺1-Antitrypsin wird hauptsächlich in Leber und Darmschleimhaut produziert und schützt vor Entzündungen. Die Bestimmung erfolgt ebenfalls über eine Kotanalyse. Da die Werte schwanken können, ist zur Absicherung der Diagnose eine Mehrfachbestimmung sinnvoll. Sekretorisches Immunglobulin A (sIgA) – ebenfalls ein Eiweiß – wird von allen Schleimhäuten des Körpers als Schutzanstrich („Antibody painting“) zur Abwehr von Krankheitskeimen gebildet. Bei erhöhtem Nachweis im Kot ist das Immunsystem besonders beansprucht. Ist der slgA-Wert dagegen zu niedrig, fällt die Immunantwort schwächer aus und die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut ist erhöht.
Der Dritte Marker, Calprotectin, ist ein antimikrobiell wirkendes Protein, also eines, das Bakterien bekämpft. Der Laborwert (auch dieser wird durch Kotanalyse ermittelt) sagt nichts über die Grunderkrankung, erlaubt aber Rückschlüsse auf Vorhandensein und Ausmaß einer Entzündung. Bei akutem Durchfall oder im IBD-Schub (Inflammatory Bowel disease/ chronische Darmentzündung) ist der Wert erhöht und eignet sich hier vor allem zur Verlaufskontrolle. Bei Hundewelpen sind Werte über der Referenz allerdings normal. Sind Stress oder Vergiftung die Ursache eines Leaky Gut, dann bleibt der Marker unauffällig.
Erste Wahl bei der Labordiagnostik ist, je nach Fall, die Untersuchung auf Schadkeime und die Untersuchung auf Parasiten. Bei negativem Ergebnis ist eine weiterführende Analyse der genannten Marker in Kombination mit einer Darmflorauntersuchung zur Feststellung Dysbiose (Störung der Darmflora) sinnvoll. Auch die Funktion der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) sollte abgeklärt werden. Die Interpretation der Laborergebnisse erfolgt immer im Zusammenhang mit den klinischen Symptomen unter Einbezug des Vorberichts.
Mögliche Verwechslungen mit anderen Erkrankungen
Die Symptome eines Leaky Gut können auch im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen auftreten, sie sind unspezifisch, wie es fachsprachlich heißt. Erschwerend kommt hinzu, dass noch nicht zweifelsfrei geklärt ist, ob ein Leaky Gut als Symptom anderer Krankheiten auftritt oder selbst die Krankheit ist. Verwechslungen sind möglich und müssen abgrenzend zu anderen Erkrankungen (differenzialdiagnostisch), ausgeschlossen werden:
- Endoparasiten wie Giardien schädigen die Darmwand, indem sie sich anheften, Nährstoffe abziehen, zum Teil Blut aufnehmen. Das klinische Bild kann einem Leaky Gut-Syndrom nahekommen.
- Veränderungen der Darmflora (Dysbiosen) können durch Florauntersuchungen in Kombination mit den o.g Labormarkern aufgedeckt werden.
- Futtermittelunverträglichkeiten können einer gestörten Barrierefunktion vorausgehen, ihnen folgen, oder es liegt beides zugleich vor.
- Eine Überwucherung des Dünndarms mit Dickdarmkeimen SIBO (small intestinal bowel overgrowth) gehört zu den Differentialdiagnosen.
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen im Sinne eines IBD werden oft diagnostiziert, sind jedoch eine Ausschlussdiagnose.
Fazit
Das Phänomen Leaky Gut betrifft zwar den Darm, kann aber derzeit noch nicht sicher als Darmerkrankung bezeichnet werden. Vielmehr ist es ein Symptom, das bei einer Vielzahl von Erkrankungen beobachtet werden kann. Laboruntersuchungen erbringen gute Hinweise, dennoch müssen andere mögliche Ursachen wie Parasiten (beispielsweise Giardien), Fut-termittelallergien oder andere Darmerkrankungen (insbesondere SIBO und IBD) im Rahmen der Diagnostik als infrage kommende Auslöser der Symptome ebenfalls bedacht werden.
Erste Wahl bei der Labordiagnostik ist, je nach Fall, die kulturelle Anreicherung auf Schadkeime und die Untersuchung auf Endoparasiten. Wenn ohne Ergebnis, ist eine weiterführende Analyse der o.g Marker in Kombination mit einer Darmflorauntersuchung auf Dysbiose sinnvoll. Auch das Pankreas sollte abgeklärt werden. Die Interpretation erfolgt immer im Zusammenhang mit den klinischen Symptomen unter Einbezug des Vorberichts.
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Quellen
- Fasano, A. Leaky gut and autoimmune diseases. Clin Rev Allergy Immunol 2012 Feb; 42(1):71-8
- Machat, N. Das Mikrobiom im Tier – eine unbekannte Welt. Vet-Journal 4 /2020
- Pilla R., Suchodolski J. S. The Role of the Canine Gut Microbiome and Metabolome in Health and Gastrointestinal Disease. Front Vet Sci, 2020; 6: 498
- Rüffer A. Ein Leck im Darm entdecken. Zeitschr. f. Komplementärmed. 3/2018, 46-48
- Rüffer, A et al. Ist der Darm noch dicht? Das Leaky-gut-Syndrom. Zeitschr. f. Komplementärmed. 4/2015, 10-13
- Schmidt, R. Die mukosale Grenzfläche – Schutz und Stabilisierung durch Tight junctions, OM & Ernährung 2009, Nr. 128
Weiterführende Literatur
- Beckmann, G, Rüffer, A. Mikroökologie des Darmes. Labor L+S; 3. Auflage; 2019
- Schmidt R, Schnitzler S. Allergie und Mikrobiota. 1. Aufl., Stuttgart, Haug-Verlag; 2018
- Steiner, J. M. Gastroenterologie bei Hund und Katze. Schlütersche; 2010
Dr. med. vet. Silke Stricker
Dr. med. vet. Silke Stricker ist seit 2012 niedergelassene Tierärztin in Lehrte und hat zusätzlich Anfang der 90er Jahre ihre Ausbildung zur Tierheilpraktikerin absolviert. 12 Jahre Erfahrung in humanmedizinischen Speziallaboren mit Schwerpunkt Darmflora und Mikrobiom komplettieren ihren reichen Erfahrungsschatz. Denn vor allem der Darm und seine Bewohner wecken in der Therapie ihre besondere Begeisterung.
Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt in der Regulationstherapie, der Darmsanierung, der Phytotherapie und der Homöopathie. Es fasziniert sie immer wieder, wie „austherapierte“ Patienten von regulativen Maßnahmen und einer ganzheitlichen Betrachtungsweise profitieren können.
Seit 2020 ist sie Teil des Dozententeams der ATM. Komplexe Sachverhalte verständlich und im übergeordneten Zusammenhang darzustellen, sind ihr beim Unterrichten ein großes Anliegen.
Frau Dr. Stricker verfasst u.a. auch Fachartikel für das Jahrbuch der Clemens-von-Bönninghausen-Gesellschaft und für das medizinisch-wissenschaftliche Magazin „OM & Tiergesundheit“. In 2021 erscheint ihre erste wissenschaftliche Publikation „Eine Allergie kommt selten allein“.