Pferde sind Pflanzenfresser und Pflanzen können giftig sein. Damit schützen sie sich vor Fressfeinden und Schädlingen. Wer sich nicht auskennt, hat zwei Möglichkeiten: Entweder sein Pferd von jeder fremden Pflanze fernhalten oder darauf vertrauen, dass das Pferd schon selbst wissen wird, was geht und was nicht.
Letzteres ist allerdings ein Irrtum. Manche Pferde wissen tatsächlich, was für sie gut ist. Andere leider nicht. Erwachsene Pferde, weil sie es nie gelernt haben, Fohlen aus verspielter Neugier, hungrige Pferde auf leergefressenen Flächen ohne Zufütterung von Heu, weil der Magen knurrt. Jungpflanzen schmecken außerdem oft neutral, sind deswegen aber nicht weniger toxisch. Und im Heu können Pferde giftige Pflanzen nicht am Geschmack erkennen, weil Giftpflanzen beim Trocknen meist den charakteristischen Geschmack verlieren, aber nicht immer ihr toxisches Potenzial.
Als Pferdehalter, -besitzer und Reiter ist unsere Mithilfe gefragt. Jetzt muss niemand beim Ausritt über jeden kleinen Happen des Pferdes in Panik geraten. Vergiftungen sind viel seltener, als man denkt und oft sind für einen größeren Schaden oder gar Tod unrealistische Mengen notwendig. Oft, aber nicht immer. Manchmal reichen schon kleine Mengen für schwerste Vergiftungen bis hin zum Tod.
Auch die individuelle Empfindlichkeit spielt eine Rolle. Eiche wird oft als giftig für Pferde beschrieben. Andererseits nehmen Pferde auch gezielt Eichenrinde oder Eicheln auf, weil die darin enthaltenen Gerbstoffe heilsam sein können. Manche Pferde vertragen sie nicht und meiden sie und für einige kann Eiche, vor allem grüne Eicheln, in größeren Mengen tödlich sein. Aber das ist sehr selten. Und so finden sich solitäre Eichen oft auf Weideland. Gift ist immer auch eine Frage der Dosierung und viele Gifte sind gleichzeitig hochwirksame Medikamente, oder finden in der Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) Verwendung.
Giftpflanzen kennen – Vergiftung verhindern
Trotzdem: Gift bleibt Gift. Nicht jede Vergiftung wird als solche erkannt und bei Symptomen, die man sich nicht erklären kann, sollte das als Möglichkeit bedacht werden. Es lebt und reitet sich darum ruhiger, wenn man weiß, welche Pflanzen Pferden gefährlich werden können und sie auch erkennt. Das ist die dritte und sinnvollste Möglichkeit, mit dem Thema umzugehen.
Unter anderem die nachfolgenden Symptome können bei einer Vergiftung auftreten (sind aber nicht immer Zeichen einer Vergiftung):
ATMUNG | KREISLAUF | BEWEGUNGSAPPARAT | MAGEN/DARM/BLASE | ALLGEMEIN |
---|---|---|---|---|
Veränderte Atemfrequenz | Veränderte Pulsfrequenz | Steifheit der Bewegungen | Kolik | Zittern |
Forcierte Atmung | Kollaps | Koordinationsprobleme | Verändertes Fressverhalten | Pupillenerweiterung |
Temperaturveränderung | Muskelkrämpfe | Krämpfe | Apathie | |
Schweißausbrüche | Hufrehe | Schluckbeschwerden | Quaddeln | |
Verfärbung der Maulschleimhaut (blau, grau) | Neurologische Störungen | Durchfall |
Gärten als Vergiftungsquelle
Wer Pferde in Eigenregie hält oder versorgt ist dazu ohnehin verpflichtet. Aber als Einsteller die Augen offen zu halten, schadet nicht. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn private Gärten an Pferdekoppeln und Paddocks oder Reitwege grenzen. Oder an Turnierplätze. Manch potente Giftpflanze wächst als schöne Zierstaude, Strauch oder Baum in Gärten oder umschließt diese als Hecke, kann dort entweder von Pferden erreicht werden oder Gartenschnitt wird in erreichbarer Nähe entsorgt. Vor allem im Frühjahr und Herbst, wenn besonders viel davon anfällt.
Wer weiß, welche das sind, kann Stallbetreiber auf verdächtige Pflanzen hinweisen, Nachbarn bitten, ihren Gartenschnitt sachgerecht zu entsorgen, und Pferde davon abhalten, dort zu fressen. Dadurch lässt sich die Wahrscheinlichkeit einer Vergiftung stark reduzieren.
Die Auflistung in diesem und im zweiten Teil des Artikels erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber es sind relativ häufig anzutreffende, besonders giftige Pflanzen. Die Graukresse ist allerdings ein Neuzugang unter den für Pferde giftigen Pflanzen, und auf dem Vormarsch, weshalb sie mit aufgeführt wird.
Bergahorn und Eschenahorn
Beide Ahornarten enthalten Hypoglycin A, Auslöser der Atypischen Weidemyopathie. Der Eschenahorn (Acer negundo) ist eigentlich in den USA beheimatet. Bei uns wird er als hübscher Zierbaum und -strauch gepflanzt, zum Beispiel als Buntlaubiger Eschenahorn (Acer negundo flamingo). Man findet ihn aber gelegentlich auch außerhalb von Gärten und Parkanlagen. Der oft stattliche Bergahorn (Acer pseudoplatanus) ist dagegen sehr verbreitet. Auch er war ursprünglich nicht bei uns zuhause, ist aber inzwischen in Wäldern ebenso wie als Einzelbaum heimisch geworden.
Die meisten Pferde (70-90 Prozent) sterben nach einer Hypoglycin A Vergiftung. Viel braucht es nicht: 30-40 Samen reichen aus. Enthalten ist das Gift aber auch im Laub und in Keimlingen. Hauptrisikozeit sind Frühjahr und Herbst, vor allem dann, wenn Frostnächte und sonnige Tage sich abwechseln.
Im Herbst sind vor allem Samen und fallendes Laub gefährlich, die sich nicht nur in unmittelbarer Nähe des Baumes finden. Die geflügelten Samen werden durch den Wind weit im Umkreis verbreitet. Im Frühjahr steckt das Gift in den frisch austreibenden Keimlingen. Es erkranken vor allem gut genährte Jungpferde, wenn im Herbst nicht mehr und im Frühjahr noch nicht genug Gras auf den Koppeln wächst und keine Zufütterung von Heu erfolgt.
Die Pferde müssen für eine ausreichende Energiezufuhr dann ihre Fettreserven nutzen. Hypoglycin A verändert den Fettstoffwechsel. Dadurch kann der Körper Fettreserven nicht mehr als Energielieferant nutzen. Es kommt zu einer allgemeinen Unterversorgung der Muskulatur, zu Lungen- und Herzversagen. Zusätzlich wird der Protein-Stoffwechsel behindert. Nur bei einem sehr frühen Eingreifen und einer relativ geringen Aufnahmemenge besteht für das Pferd eine Überlebenschance, wenn nach 12-48 Stunden die Symptome einsetzen. Alles Wissenswerte zur Atypischen Weidemyopathie kann in diesem Artikel nachgelesen werden.
Blauer Eisenhut (Aconitum napellum)
Der Blaue Eisenhut blüht zwischen Juni und September und erreicht eine Wuchshöhe zwischen 50 Zentimetern und zwei Metern. Giftig macht ihn das Alkaloid Aconitin. Der Gehalt daran ist abhängig von Pflanzengröße und Jahreszeit. Unter allen europäischen Pflanzen gilt er als die giftigste, ganz gleich, welcher Teil von ihm, aber ganz besonders die Wurzel.
Ab 0,2 Gramm der Pflanze beginnen die Vergiftungserscheinungen, und schon drei bis sechs Milligramm Aconitin töten einen Menschen unter starken Schmerzen in weniger als einer Stunde. Die Kelten verwendeten Eisenhut deshalb als Pfeilgift und im Mittelalter war der Blaue Eisenhut ein Mittel der Wahl, Schwerverbrecher qualvoll aus dem Leben zu schicken und unliebsame Verwandtschaft oder Konkurrenz zu ermorden. Aber er ist auch eine traditionelle Heilpflanze und wird in der Medizin in niedriger Dosierung als Therapeutikum verwendet.
Wild wächst der Blaue Eisenhut vor allem in höheren Lagen auf nährstoffreichen feuchten Wiesen, an Bachläufen und in Auwäldern, und als Wildpflanze steht er unter Schutz, darf also nicht gepflückt oder entnommen werden. Als Gartenpflanze kann er bei uns überall vorkommen und ist in jeder Staudengärtnerei zu kaufen. Trotzdem sind Eisenhut-Vergiftungen selten. Vielleicht konnte er deshalb als Staude in Ziergärten einziehen. Als Schnittblume holen wir den Eisenhut sogar ins Haus. Wer Kinder oder Haustiere hat, sollte davon Abstand nehmen, um sie nicht zu gefährden. Sogar das Blumenwasser ist giftig.
SYMPTOME | DOSIS |
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Absacken des Blutdrucks Sinken der Körpertemperatur Speichelfluss, Erbrechen, Durchfall Pupillenerweiterung aufsteigende Lähmung der Muskulatur Starke Schmerzen volles Bewusstsein Herzversagen Tod durch Atemlähmung | Als tödlich (letal) werden für das Pferd unterschiedliche Angaben gemacht: 200-400 Gramm Frischpflanze 300 Gramm Wurzeln 1000 Gramm Blätter Auch getrocknet giftig. |
Buschwindröschen (Anemone nemorosa)
Bevor der Blattaustrieb der Bäume beginnt, bilden Buschwindröschen in manchen Wäldern wunderschöne weiße Blütenteppiche über dem tristen Braun verwelkter Blätter. Manchem Pferd mag da bei Hindurchreiten nach dem Winter Appetit auf frisches Grün kommen. Aber Buschwindröschen sind in allen Teilen giftig, vor allem aber die Blüte. Schon 300 Gramm davon werden als tödlich angegeben.
Europäische Eibe (Taxus baccata)
Die Eibe ist zweifelsohne eine der giftigsten Pflanzen überhaupt. Der immergrüne Nadelbaum ist beliebt als Heckenpflanze und Zierstrauch in Gärten und Parks, wächst aber auch wild. Wurzel, Holz, Kerne, Nadeln, selbst der Blütenstaub: Alles an der Eibe ist giftig, nur das nicht, was giftig aussieht: Der fleischige rote Fruchtmantel, der im Herbst den Kern umgibt. Verantwortlich für die tödliche Wirkung ist das Alkaloid Taxin.
Auch für viele andere Nutz-, Haus- und Wildtiere ist die Eibe tödlich. Das ist um so tragischer, als Heckenpflanzen naturgemäß regelmäßig geschnitten werden und Teile des Schnittguts dann leicht versehentlich aufgenommen werden können, während die lebende Pflanze nicht angerührt wird. Bitte Anrainer unbedingt darauf hinweisen und dafür sorgen, dass Pferde die Pflanzen nicht erreichen können. Bei Heckenpflanzungen besser auf Alternativen ausweichen. Es gibt genügend, die nicht giftig und trotzdem immergrün sind.
SYMPTOME | DOSIS |
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Zunächst Erhöhung der Herzfrequenz Dann rapides Absacken der Herzfrequenz Herzstillstand innerhalb weniger Minuten nach Aufnahme | Bei Pferden wird die tödliche Dosis mit 0,2 Gramm/Kilogramm Lebendgewicht Nadeln, Samen oder Zweigen angegeben; entsprechend 110 Gramm Großpferd und 60 Gramm Pony. Pferde reagieren besonders empfindlich! |
Farne
Farne gehören zu den sehr alten Pflanzenspezies und es gibt sie seit etwa 200 Millionen Jahren. Adlerfarn (Pteridium aquilinum) ist eine häufige Pflanze an Waldrändern und in lichten Wäldern, also genau dort, wo wir gerne reiten. Wie enthält Thiaminase, ein Enzym, das den Vitamin B1-Stoffwechsel beeinträchtigt und auch im Schachtelhalm als Gift wirkt. Hinzu kommen Blausäureglycoside und Pteridin, ein Saponin, mit dem sich die Pflanze gegen Pilzbefall schützt, also ein Fungizid. Am giftigsten sind die jungen Triebe, aber auch alle anderen Pflanzenteile enthalten die Gifte.
Auch Wurmfarn sollte nicht gefressen werden. Er ist weniger giftig, aber nicht ungiftig. Beide Arten sind gut zu unterscheiden: Der Adlerfarn wächst an längeren Stängeln aus dem Boden, was größere Vorkommen wie Miniaturwälder aussehen lässt. Beim Wurmfarn scheinen die Blattwedel in nestartigen Rosetten direkt aus dem Boden zu wachsen. Da Farne gerne in schattigen Gärten kultiviert werden, sollten Anrainer entlang der Koppelgrenzen auf deren für Pferde giftiges Potenzial hingewiesen werden.
Symptome | Dosis |
Der gestörte Vitamin B1-Stoffwechsel führt zu Störungen des zentralen Nervensystems Störungen der Bewegungskoordination | Adlerfarn, tödliche Dosis: Zwei bis drei Kilogramm, angegeben werden auch zwei Kilogramm innerhalb von 30 Tagen und 10 Gramm täglich über einige Monate. |
Fingerhut (Digitalis)
Der blühende Fingerhut ist sehr leicht zu erkennen. Weniger leicht die zunächst blütenlosen Blattrosetten, aus denen die blütentragenden Stängel bis zu zwei Meter hoch herauswachsen. Besonders häufig zu finden sind der Rote Fingerhut (Digitalis purpurea) und der Wollige Fingerhut (Digitalis lanata), letzterer jedoch meist als kultivierte Gartenpflanze. Die becherförmigen Blüten, die mit der Öffnung nach unten aus einem meist unverzweigten Stängel wachsen, erinnern tatsächlich an Fingerhüte – oder an Elfenhüte, wie es im englischsprachigen Raum heißt.
Alle Fingerhut-Arten sind giftig durch die in ihnen enthaltenen hochwirksamen Digitalisglycoside (Herzglycoside). Richtig dosiert werden sie in der Medizin zur Behandlung von Herzerkrankungen eingesetzt, aber wenn Pferde diese Pflanze „einfach so“ fressen, kann es tödlich ausgehen. Wenige Blüten reichen aus. Nicht ohne Grund war der Fingerhut Giftpflanze des Jahres 2007: Er zählt bei uns zu den giftigsten Pflanzen. Sollen Gegenmaßnahmen noch helfen, muss umgehend der Tierarzt gerufen werden.
Der Fingerhut blüht purpurfarben, aber auch weiß zwischen Juni und August wild auf Waldlichtungen, Waldrändern und Kahlschlägen in West- und Mitteleuropa, in Gärten als Zierpflanze. Giftig sind nicht nur die Blüten, sondern auch die Blätter. Deshalb gilt auch hier: Wer Nachbarn hat, die ihren Gartenschnitt und Verblühtes gerne mal auf der Pferdekoppel entsorgen, sollte ihnen das mit Verweis auf die große Toxizität der Pflanze untersagen.
SYMPTOME | DOSIS |
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Blutiger Durchfall Benommenheit Herzrhythmusstörungen Herzstillstand | Tödliche Dosis für Pferde: 100 – 200 g frische und 25 g getrocknete Blätter Giftig in allen Teilen. Als Wildpflanze geschützt. |
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